Immer wenn ich damit konfrontiert werde, dass das "Bedingungslose Grundeinkommen" nicht umsetzbar ist, fällt mir folgende Geschichte von Jean Liedloff aus ihrem Buch "Auf der Suche nach dem verloren Glück" ein.
"Zwei Indianerfamilien wohnten in einer Hütte mit Aussicht auf einen herrlichen weißen Strand, eine Lagune in einem weiten Halbkreis von Felsen mit dem Caroni und den Arepuchifällen dahinter. Der eine Familienälteste hieß Pepe, der andere Cesar. Pepe erzählte mir die Geschichte.
Offenbar war Cesar in sehr jungem Alter von Venezolanern "adoptiert" worden und war mit ihnen in eine Kleinstadt gezogen. Man schickte ihn zur Schule, er lernte lesen und schreiben und wurde als Venezolaner aufgezogen. Als er erwachsen war, kam er, wie viele Männer aus jenen Städten in Guyana, zum Oberen Caroni, um sein Glück bei der Diamantensuche zu versuchen. Er arbeitete gerade mit einer Gruppe von Venezolanern, als er von Mundo, dem Häuptling der Tauripans von Guayparu, erkannt wurde.
"Bist du nicht von José Grande in sein Haus mitgenommen worden?" fragte ihn Mundo.
"Ich wurde von José Grande aufgezogen", sagte Cesar der Geschichte nach.
"Dann bist du zu deinem eigenen Volk zurückgekehrt. Du bist ein Tauripan", sagte Mundo.
Worauf Cesar nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss kam, es würde ihm als Indianer besser gehen, als wenn er als Venezolaner lebte; er kam also nach Arepuchi, wo Pepe wohnte.
Fünf Jahre lang lebte Cesar nun mit Pepes Familie, heiratete eine hübsche Tauripan-Frau und wurde Vater eines kleinen Mädchens. Da Cesar nicht gern arbeitete, aßen er, seine Frau und seine Tochter von dem, was in Pepes Pflanzung wuchs. Cesar war hoch erfreut, dass Pepe von ihm nicht erwartete, er müsse sich einen eigenen Gartgen anlegen oder auch nur bei der Arbeit in dem seinen helfen. Pepe arbeitete gern, und da Cesar das nicht tat, passte diese Regelung beiden Seiten.
Cesars Frau beteiligte sich gern mit den anderen Frauen und Mädchen zusammen am Schneiden und Zubereiten der Cassaba, aber Cesar tat nichts gern, außer den Tapir und gelegentlich anderes Wild zu jagen. Nach einigen Jahren entwickelte er eine Neigung zum Fischen und fügte seine Fänge denen von Pepe und seinen zwei Söhnen hinzu, die immer gern fischten und seine Familie damit stets ebenso großzügig versorgt hatten wie ihre eigene.
Kurz vor unserem Eintreffen dort beschloss Cesar, sich einen eigenen Garten anzulegen und Pepe half ihm bei jeder Kleinigkeit, von der Wahl der Lage bis zum Fällen und Verbrennen der Bäume, Pepe genoss das um so mehr, als er und sein Freund die ganze Zeit schwatzten und Späße machten.
Nach fünfjähriger Rückenstärkung hatte Cesar das Gefühl, dass ihn keiner zu diesem Projekt trieb und war ebenso frei, Freude an der Arbeit zu empfinden, wie Pepe oder irgendein anderer Indianer.
Pepe erzählte uns, dass alle in Arepuchi darüber froh waren, da Cesar zunehmend unzufrieden und reizbar geworden war.
"Er wollte sich gern einen eigenen Garten anlegen" - lachte Pepe - "aber er wusste es selber nicht!" Pepe fand es sehr komisch, dass es jemanden gab, der nicht wusste, dass er arbeiten wollte."
Warum beeindruckt mich diese Geschichte?
Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Gemeinschaft Cesar bei sich aufnimmt und für ihn sorgt. In ihm ein vollwertiges Mitglied sieht und ihn akzeptiert wie er ist.
Wenn der geneigte Leser jetzt sagt: "Ist ja gut und schön, aber das klappt nur in kleinen Gemeinschaften!" so stimme ich dem uneingeschränkt zu.
Jede Gemeinschaft (Staat) besteht aus vielen kleinen Zellen, meist sind es Familien. Wie sieht es in unserer Gesellschaft in den Familien aus?
Sind sie intakt?
Werden die einzelnen Mitglieder akzeptiert wie sie sind?
Bekommen sie die Zeit die sie brauchen um sich nach ihren Fähigkeiten und Talenten zu entwickeln?
Die Antworten darauf findet jeder in seinem näheren Umfeld.
"Das Schicksal des Staates hängt vom Zustand der Familie ab."
(Alexandre Rudolphe Vinet)
Paulinchen
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Feine Geschichte. Wenn es uns aber allen besser gehen soll, muss diese Geschichte nicht nur für Familien zutreffen, sondern für die ganze Gesellschaft. Nur auf dieser Basis haben wir als Menschheit unser überleben ganz am Anfang unserer Entwicklung gesichert. Da wir heute davon abgewichen sind, werden wir auf Dauer so nicht überleben können. Und noch eine Anmerkung: Die Arge steht in der Familie dann schon vor der Tür und lässt nicht zu, dass jemand seine Fähigkeiten erkennt.
AntwortenLöschenIch kenne diese Geschichte aus einem Buch... "Die Suche nach dem verlorenen Glück", das ich vor Jahren gelesen habe.
AntwortenLöschenDer Mann an meiner Seite ist in ähnlicher Situation wie Cesar. Ich versuche mich wie Pepe zu verhalten, ihm Zeit zu geben und ihn zu unterstützen. Aber ich werde von allen Seiten mit Unverständnis zugeschüttet. "Er muss sich überwinden!", "Gib ihm mal 'nen Tritt!", "So kommt der auf keinen grünen Zweig." usw. usf.
Ich kann Deinen Beitrag genauso unterschreiben und gebe auch PeWi absolut Recht!
Eine wirklich gute Geschichte. Ich erinnere mich bei dem Thema "bedingungslose Grundsicherung" auch stets an das Projekt in Afrika (ich weiß leider nicht genau, wo), das ein voller Erfolg wurde - weil die Menschen eben nicht "faul" sind (in dem Sinne, was die neoliberalen Asozialen uns immer weismachen wollen).
AntwortenLöschenLieber Frank,
AntwortenLöschendas Projekt war in Namibia. Wenn ich mich richtig erinnere, ist es mittlerweile beendet. Auch in Brasilien und Sambia laufen solche Projekte. Dann gibt es sicherlich noch einige, von denen wir gar nichts hören.
Liebe PeWi, liebe Neanada,
um die Gesellschaft dahingehend zu verändern, braucht es starke Menschen, die unbeirrbar ihr Ziel verfolgen. Die vor allem Vertrauen in die Menschen haben. Woher kommen solche Menschen? Aus Familien, wo die Eltern, Onkel und Tanten... Vertrauen in die Kinder setzen und diese die Zeit bekommen sich ihrer Natur gemäß zu entwickeln. Wenn die Zahl solcher "Biotope" steigt, wird sich das Denken der Menschen ändern und somit eine ganz andere Gemeinschaft (Staat) entstehen. Daran glaube ich und dieser Glaube ist durch nichts zu erschüttern.
Liebe Grüße
Margitta