Freitag, 30. April 2010

Sehr treffend formuliert

"Wer mit Dreck schmeißt, muss im Dreck stehen, damit er mit Dreck schmeißen kann."
Dr. Carsten Frerk, Politologe und Sozialwissenschaftler

Herzblut XIV. und XV.

XIV.

Ach ja, es ist nur allzu wahr,
Was nützt dir mein Lieben und Leben,
Und würd' ich aus den Adern
Mein rotes Blut dir geben.

Blut ist Blut und bleibt es,
Und wird ja nie zu Geld,
Und Geld gehört zum Leben:
Das ist der Lauf der Welt.

Mein Leben nützt dir nichts;
Bezahlte man mich für's Sterben,
Ich stürbe ja gerne morgen
Um alles dir zu vererben.

XV.

Ich sehne mich nach wilden Küssen,
Nach wollustheißen Fieberschauern;
Ich will die Nacht am hellen Tag
Nicht schon in banger Qual durchtrauern.

Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang,
Noch brennt die Wang' in Jugendgluten -
Steh' still, lösch' aus mit einem Mal!
Nur nicht so tropfenweis verbluten.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Donnerstag, 29. April 2010

Das Trauerspiel von Afghanistan

Der Schnee leis' stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
„Wer da!“ – „Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.“

Afghanistan! er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen in’s steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

„Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

„Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,
Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

„Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie’s hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!“

Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.

Theodor Fontane

Quelle mit Angaben zur Entstehung dieser Ballade

Wird die Menschheit jemals aus der Vergangenheit die Lehren ziehen, die der gesamten Erde zum Wohle gereichen?

Herzblut XII. und XIII.

XII.

Wenn ich ihn manchmal sah,
Hab' ich gezittert, gebangt;
Und dennoch wieder hab' ich
Nur ihn zu sehen verlangt.

Und wenn er im Vorbeigehen
Nur leicht mein Kleid berührt,
Hab ich noch lang darüber
Mit den Blumen diskutiert.

XIII.

Da sprach er so lieb und so freundlich,
so zärtlich, gütig und mild;
Man konnte beinahe glauben,
Er hab' auch Alles gefühlt.

Doch plötzlich dieser Blick,
Dies Lächeln - o mein Gott!
Dies höhnische Kompliment -
Ich wollt', ich wäre tot!
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Mittwoch, 28. April 2010

Manchmal stimmt es

Eine graue Zelle kommt per Zufall in das Gehirn eines Mannes. Alles ist dunkel, leer, ohne Leben. "Huhu!" ruft die graue Zelle. Keine Antwort. Da erscheint plötzlich eine andere graue Zelle und fragt: "Was machst du denn alleine hier? Komm doch mit, wir sind alle unten..."

Herzblut X. und XI.

X.

Ich weinte um den Frühling -
Ich Törin!
Ich weinte um die Blumen,
Die alle verblüht und verwelkt -
Ich Törin!
Wer weint um meine Jugend?
Wer weint um meine Träume? --

XI.

Sieh', in dies dein teures Bildnis
Möcht' ich mich so ganz versenken;
Könnt' ich, ach! dem Bilde doch
Atem, Leben, Sprache schenken!

Könnt' ich in die kalten Formen
Glut und Blut und Liebe gießen.
Könnt ich diese lieben Hände
Heiß zu heißem Drucke küssen! -

Ach, ich kann es nicht. Es bleibet
Kalt und stumm in stolzer Ruh'!
Aber du bist gut getroffen:
Denn es ist so ganz wie du!
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Dienstag, 27. April 2010

Herzblut IX.

Ich hab' in langen Tagen
Gar oft an dich gedacht
Ich hab' in langen Nächten
Gehofft, geweint, gewacht.

Wie einstmals sitz' ich wieder
Beim abgebrannten Licht;
Ich wache - aber hoffen
und weinen kann ich nicht.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Herzblut VIII.

"Heut haben wir schönes "Wetter."
"O ja, recht schönes, mein Herr!"
Das sind so unsre Gespräche,
So kalt, so dumm, so leer.

Du streichelst mir fragend die Wange,
Du kennst das gewisse Rot;
Für dich ist's nichts als Schminke -
Für mich: in der Brust der Tod.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Montag, 26. April 2010

Herzblut VII.

Von dem, was ich besessen,
Ist wenig mir geblieben,
Von meinen süßen Träumen,
Von Glauben, Hoffen, Lieben!

Nur schmerzliches Erinnern
Ist's was das Herz behielt,
Verachtung, Hass und Tränen -
Und eines Mannes Bild.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Herzblut VI.

Ach, ihr wisst nicht, wie sich's lebt,
Atmet in der Trunkenheit
Einer Liebe, die befreit,
Die begeistert, die erhebt!

Ach, ihr wisst nicht, wie sich's lebt,
Atmet in Versunkenheit
Einer Liebe, die entweiht,
An der Schmach und Elend klebt!
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Sonntag, 25. April 2010

Bonmot

"Planung bedeutet den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen."
Sir Peter Ustinov

Herzblut V.

Nur eine Träne gebt mir wieder,
Nur eine einz'ge will ich haben!
Mit dieser Träne aber will
Das todeskranke Herze laben.

In dies Träne will ich senken,
Mein ganzes namenloses Weh,
Mit dieser Träne will ich sagen,
Was ich stets fühl' und kaum versteh'!
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Samstag, 24. April 2010

Jede Aussage ist mehrdeutig

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.”
Jean-Claude Junker

Es ist immer gut hinter die Dinge zu sehen. Hier kann sich jeder der will sein eigenes Bild über das Zitat machen. Guy Schuller erklärt wie es zu diesem Zitat kam.

Paulinchen

Herzblut VI.

Ach nur einmal möcht ich sinken
Noch in deine Arme hin,
Und nur einmal noch vergessen
Was ich war und was ich bin!

Ach nur einmal so dich sehen
Wie du einst gewesen bist;
Und dann Alles wieder leiden,
Was schon war und was noch ist.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Freitag, 23. April 2010

Bonmot

"Ideen, wie absolute Gewissheit, absolute Genauigkeit, endgültige Wahrheit uns so fort, sind Erfindungen der Einbildung und haben in der Wissenschaft nichts zu suchen..."
Max Born

Herzblut III.

Ich blickte jüngst in mich -
So recht in's Herz hinein
Und glaubte noch etwas zu finden
Von dem, was einstens mein.

Ich sah mein verlorenes Eden,
Mein versunkenes Paradies,
Mich selbst den gefallenen Engel,
Den Himmel und Erde verstieß.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Donnerstag, 22. April 2010

Herzblut II.

Es fragen mich die Menschen,
Was mich so elend gemacht;
Ich sag' euch, ich habe mein Elend
Mit auf die Welt gebracht.

Es liegt in meinem Fühlen
In dem halbentfesselten Geist,
Der aufwärts will und den Alles
Zur Erde doch wieder reißt.
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Herzblut I.

"O könnt' ich Alles geben,
Was dieses Herz bewegt,
Und all die tausend Gedanken,
Die wüst mein Schädel hegt!

Es dränget heiß zur Lippe,
Was mir das Herz zerbricht;
Ich kenn' es, ach, ich fühl es -
Doch sagen kann ich's nicht!
Ada Christen (1839-1901)

Fortsetzung folgt

Mittwoch, 21. April 2010

Lesetipp für Futuristen und andere Interssierte

Eine futuristische Satire von Roland Rottenfußer. Seine Geschichten sind mir immer ein besonderer Genuss.

Paulinchen

Dienstag, 20. April 2010

Ein Engel besonderer Art

Wenn die Fohlen zur Welt kommen, herrscht immer eine große Aufbruchstimmung. Wir züchteten auf unserer Ranch in Arizona zum ersten Mal Appaloosapferde und ich träumte von Auszeichnungen und begierigen Käufern. In diesem ersten Jahr unserer Zucht verwandelten bereits neun zierliche Appaloosafohlen mit ihrem schimmernden Fell unsere Weiden in eine farbenfrohe Landschaft. Sie hatten strahlend helle Stirnflecken und ihre Kruppen waren übersät mit weißen Flecken und Punkten, als ob sie in Seifenlauge getaucht wären.

Wir erwarteten das zehnte Fohlen und ich war mir sicher, dass es das gesprenkeltste von allen werden würde. Der Vater war ein Zuchthengst mit Walnussgroßen Flecken auf dem ganzen Körper und sein mehrfarbiger Schweif reichte hinunter bis auf den Boden. Das Fell der Mutter wies tausende Pfenniggroßer Punkte auf. Ich hatte bereits einen Namen für das ungeborene Fohlen: Starbrust.

"Mit Pferden ist das so eine Sache", versuchte mich mein Mann Bill zu bremsen. "Zum Schluss kommt oft etwas ganz anderes heraus, als man sich vorgestellt hat."

In der Nacht, in der das Fohlen zur Welt kommen sollte, beobachtete ich die Mutter über einen Monitor, den Bill in unserem Schlafzimmer installiert hatte. Ich sah den Glanz der schweißüberströmten Stute, ihre weit aufgerissenen Augen waren voller Angst. Der Gebärvorgang dauerte bereits mehrere Stunden, als ich eindöste. Ich erwachte ruckartig. Drei Stunden waren vergangen! Ich schaute zum Monitor und sah die Stute flach auf der Seite liegen. Die Geburt war vorbei. Aber wo war das Fohlen?

"Bill, wach auf!" Ich schüttelte ihn kräftig. "Jemand hat das Fohlen gestohlen!" Wildhunde, Kojoten und andere Raubtiere schossen mir durch den Kopf. Es dauerte nicht lange und wir standen im Dämmerlicht des Pferchs. "Mama, wo ist dein Baby" Ich weinte, als ich auf die Knie sank, um die Stute zu streicheln.

Plötzlich erhob sich ein Kopf aus dem Schatten - klein, dunkel und hässlich. Als das Geschöpf mühsam versuchte auf die Beine zu kommen, wurde mir klar, warum ich es nicht auf meinem Bildschirm gesehen hatte. Es hatte keinen weißen Flecken und keine auffallende Zeichnung. Unser weibliches Füllen war braun wie die Erde.

"Ich kann es nicht glauben", sagte ich, als wir in die Hocke gingen, um es näher zu begutachten. "Dieses Fohlen hat aber auch nicht ein einziges weißes Haar!" Weitere unerwünschte Merkmale kamen zum Vorschein: eine schwülstige Stirn, eine hässliche Schrägnase, herunterhängende Ohren wie bei einem Eselshasen und ein fast Haarloser Stummelschwanz.

"Sie weist die Merkmale ihrer Vorfahren auf", sagte Bill. Ich wusste, dass wir beide im Moment das Gleiche dachten: "Wir werden dieses Fohlen niemals verkaufen können. Wer will schon einen Appaloosa ohne Zeichnung?"

Als unser ältester Sohn Scott am nächsten Morgen zur Arbeit erschien und unseren Neuzugang sah, nahm er kein Blatt vor den Mund.

"Was sollen wir mit so einem hässlichen Ding?", fragte er.

Die Ohren des Fohlens hatten sich in der Zwischenzeit aufgerichtet. "Sie sieht aus wie ein Maultier", sagte Scott. "Niemand wird sie haben wollen."

Unsere jüngeren Mädchen Becky und Jaymee, fünfzehn und zwölf Jahre alt, stellten uns ebenfalls Fragen. "Woran erkennt man überhaupt, dass sie ein Appaloosa ist?", fragte Becky. "Hat sie die Flecken wenigstens unter ihrem Fell?"

"Nein", sage ich zu ihr, "sie ist nur im Innern ein Appaloosa."

"Also hat sie die Flecken auf ihrem Herzen", sagte Jaymee. "Wer weiß", wunderte ich mich, "vielleicht hat sie dort tatsächlich welche."

Von Anfang an schien das anhängliche Fohlen zu merken, dass es sich von den anderen jungen Pferden unterschied. Besucher beachteten es kaum und wenn sie es taten, behaupteten wir, dass wir die Mutter nur vorübergehend zur Pflege hätten. Niemand sollte wissen, dass unser wundervoller Hengst der Vater dieses Fohlens war.

Seit kurzem fiel mir auf, dass die kleine Stute zunehmend Gefallen an menschlicher Gesellschaft fand. Zusammen mit seiner Mutter war sie zur Fütterung immer zuerst am Gatter und wenn ich sie am Hals kraulte, schloss sie zufrieden die Augen. Es dauerte nicht lange und sie stöberte mit der Schnauze in meiner Jackentasche, zerkaute meine Knöpfe und öffnete sogar das Gatter, um mir zu folgen und ihren Kopf an meiner Hüfte zu reiben. Ein sehr ungewöhnliches Verhalten für ein Fohlen!

Unglücklicherweise hatte sie einen gewaltigen Appetit. Und je größer sie wurde, umso hässlicher sah sie aus. "Wo werden wir jemals ein Zuhause für dieses Fohlen finden?, fragte ich mich.

Eines Tages kaufte ein Mann einen unserer besten Appaloosas für einen Zirkus. Unverhofft erblickte er das braune Fohlen mit dem Stummelschwanz. "Dies ist kein Appoloosa, nicht wahr", fragte er. "Es sieht aus wie ein Esel." Da ich wusste, dass er es auf Zirkuspferde abgesehen hatte, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopfe. "Sie werden sich wundern", sagte ich, "dieses Fohlen hat mehr Tricks auf Lager als ein Koch im Schnellrestaurant. Es kann einen Handschuh aus meiner Jackentasche holen und unter Zäunen hindurchklettern. Es steigt in Wassertröge und kann Leitungshähne umstellen."

"Ein richtig kleiner Teufel, was?"

"Nein", antwortete ich schnell und fügte - einer Eingebung folgend - hinzu: "Im Gegenteil, ihr Name ist Angel!"

Er kicherte. "Leider brauchen wir eine auffallende Färbung", erklärte er mir. "Die Leute mögen am liebsten gefleckte Pferde."

Im Laufe der Zeit erfand Angel - wie wir sie nun nannten - immer neue Kunststücke. Am besten gefiel ihr, Gatter zu öffnen, um an der unbeobachteten Seite der Weide an Futter zu kommen.

"Sie ist ein richtiger Houdini", bewunderte sie Bill.

"Sie ist eine richtige Strafe", sagte Scott, der sie immer wieder einfangen musste.

"Du musst dich mehr auf sie einlassen", versuchte ich ihm zu erklären. "Du kümmerst dich die ganze Zeit nur um die anderen Einjährigen und hast mit Angel nur dann zu tun, wenn du sie anschreist."

"Wer hat schon die Zeit, sich um ein störrisches Pferd zu kümmern? Außerdem hat Dad gesagt, dass wir sie mit zur Auktion nehmen." "Was? Ihr wollt sie verkaufen?" Ich stellte Bill zur Rede. "Bitte gib ihr eine Chance und lass sie auf der Ranch aufwachsen", flehte ich ihn an. "Dann kann Scott sie einreiten, wenn sie zwei ist. Sie hat ein gutmütiges Wesen und wird dann bestimmt für irgendjemand von Nutzen sein." "Ich schätze, ein Pferd mehr können wir verkraften", sagte er. "Wir schicken sie auf die Weide im Osten. Dort wächst zwar nicht so viel Gras, aber ..." Angel war wenigstens für den Moment in Sicherheit.

Zwei Wochen später stand sie am Hauptgatter und fraß das Trockenfutter aus der Schale unseres Wachhundes. Sie hatte die Kette des Weidengatters abgestreift und sich selbst und zehn weitere Pferde herausgelassen. Als Scott und Bill die Pferde endlich zusammengetrieben hatten, hing Bills Geduld nur noch an einem seidenen Faden.

Im Laufe der Zeit nahmen ihre Kunststücke zu. Wenn Bill und Scott mit dem Auto zur Weide gefahren waren, fraß sie das Gummi von den Scheibenwischern. Wenn das Fenster offen gelassen wurde, schnappte sie sich oft einen Lappen, einen Handschuh oder ein Notizbuch vom Vordersitz und rannte davon wie der Wind.

Überraschenderweise wurde Bill gegenüber Angels Streichen immer nachsichtiger. Wenn jemand auftauchte, der Appaloosapferde kaufen wollte, kam sie in vollem Galopp angerannt, bremste abrupt in zehn Meter Entfernung und kam rückwärts auf einen zu, um am Hinterteil gekrault zu werden. "Wir haben hier unseren eigenen Zirkus", erzählte Bill dann den Käufern. Und selbst der dichte Schnurrbart von Scott konnte ein kleines Lächeln nicht verbergen.

Die Jahreszeiten gingen dahin. Glühende Sonne wechselte mit Regen und brachte Millionen von Fliegen. Eines Tages, als Angel zweieinhalb Jahre alt war, sah ich, wie Scott sie zu einer Scheune führte. "Dieser dumme Schwanz bietet ihr überhaupt keinen Schutz, erklärte er mir. "Ich mache ihr jetzt einen neuen." Scotts Gefühle für das Pferd hatten sich offensichtlich geändert.

Am nächsten Morgen musste ich schmunzeln, als Scott zwei Dutzend hellgelbe Hanfkordeln schnitt, sie zu einem langen Mopp zusammenband und mit Klebeband an Angels bandagiertem Schweif festmachte. "So", sagte er, "jetzt sieht sie fast wie ein normales Pferd aus."

Scott hatte sich entschlossen, Angel zum Reiten "einzubrechen". Bill und ich saßen auf dem Koppelzaun, als er ihr den Sattel auflegte. Angel machte einen Buckel und ich flüsterte: "Gleich haben wir hier ein Rodeo." Aber als Scott den Sattelgurt um ihren Bauch schnürte, wehrte sie sich nicht - im Gegensatz zu den meisten jungen Pferden. Sie ließ es einfach geschehen.

Nachdem Scott aufgessen hatte und sanften Druck mit den Knien ausübte, kam das willige Herz des Appaloosas zum Vorschein. Er ließ sie vorwärts gehen und sie befolgte seinen Befehl, als ob sie schon seit Jahren geritten worden wäre. Ich streckte meine Hand aus und kraulte ihre hervorstehende Stirn. "Eines Tages wird aus ihr ein wunderbares Pferd zum Ausreiten", sagte ich. "Bei ihrem Temperament könnte sie auch zum Polospiel taugen", antwortete Scott. "Oder sie könnte das Pferd für ein großes Kind sein." Selbst Scott machte sich inzwischen Gedanken um unseren braunen Appaloosa mit dem lustigen Schweif.

Wenn die neuen Fohlen zur Welt kamen, wieherte Angel die Neugeborenen an, als wären sie ihre eigenen. "Wir sollten sie decken lassen", sagte ich zu Bill. "Sie ist vier. Stell dir vor, was für eine gute Mutter sie mit ihrem großen Herzen abgeben würde."

Bill war von meinem Vorschlag begeistert und Scott ebenfalls. "Die Leute kaufen oft Stuten, die schon mal gedeckt worden sind", sagte er. "Vielleicht finden wir dann jemanden, der sie aufnimmt." Ich sah in diesem Moment einen fürsorglichen Ausdruck auf Scotts Gesicht, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.

In den Wintermonaten, in denen sie trächtig war, schien Angel vergessen zu haben, aus ihrem Pferch auszubrechen. Im April schließlich, als ihr Termin immer näher rückte, gab es viel Regen und brachte unsere Felder zum Erblühen. Wir machten uns Sorgen, dass Angel wieder anfangen würde, durch die Gatter zu schlüpfen, um auf die saftigsten Weiden zu gelangen.

Eines Morgens saß ich gerade beim Frühstück, als Scott in der Küchentür stand. Seine haselnussbraunen Augen verschwanden unter der breiten Krempe seines Cowboyhuts. "Komm bitte mit, wir müssen uns um Angel kümmern", sagte er mit ruhiger Stimme. "Sie ist letzte Nacht aus ihrem Pferch ausgebrochen."

Ich versuchte meine Angst zu unterdrücken und folgt Scott zu seinem Pick-up. "Sie hat ihr Fohlen irgendwo zur Welt gebracht", sagte er, "aber Dad und ich können es nicht finden. Sie stirbt ..." Ich hörte, wie seine Stimme stockte. "Es sieht so aus, als ob sie versucht hat nach Hause zu kommen."

Als wir bei Angel ankamen, kniete Bill neben ihr. "Wir können nichts mehr für sie tun", sagte er und deutete auf die blauen Wildblumen im saftig grünen Gras, die für ein hungriges Pferd leicht durch den Stacheldraht hindurch erreichbar waren. "Narrenkraut. Manche Pferde sind ganz wild darauf. Und manchen bringt es den Tod."

Ich legte Angels großen Kopf in meinen Schoß und streichelte sie hinter den Ohren. Scotts Augen waren feucht. "Die beste Stute, die wir jemals hatten", murmelte er.

"Angel!", flehte ich. "Bitte verlass uns nicht!" Ich unterdrückte meinen Schmerz und fuhr mit der Hand über ihren Nacken. Sie atmete schwer. Dann ging ein Zucken durch ihren Körper und ich schaute in zwei Augen, die nichts mehr sehen konnten. Angel war tot.

Ich war wie betäubt, als ich Scott nur wenige Meter entfernt rufen hörte. "Mom! Dad! Kommt und schaut euch dieses Fohlen an!"

Tief im würzig duftenden Gras lag ein zartes Hengstfohlen. Ein einzelner Fleck schmückte seinen Kopf und sein Rücken und seine Hinterläufe waren herrlich weiß gesprenkelt - ein reinrassiger, strahlend schöner Appaloosa. "Starbrust", flüsterte ich.

Aber irgendwie ging es nicht mehr um eine auffallende Zeichnung. Seine Mutter hatte uns oft gelehrt, dass es nicht darauf ankommt, was man von außen sieht, sondern was sich tief im Herzen befindet.
Penny Porter

Aus: "Hühnersuppe für die Seele - Für Tierfreunde"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Montag, 19. April 2010

Es waren zwei Königskinder

Wie vom Donner gerührt stehe ich in meinem Wohnzimmer und starre auf das Fernsehgerät. Es ist Donnerstagabend, der 9. November 1989. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Alles geschieht zeitgleich. Jubelnde Menschen, weinende Menschen. Freudige Rufe, hysterische Schreie. Stimmen, die in allen Tonlagen rufen: "Die Mauer ist gefallen"
"Ja und," höre ich mich laut sagen, "ist euch denn nicht klar, was das bedeutet? Was da auf uns zukommt?"
Erschrocken blicke ich um mich und bin froh, dass es keiner hörte. Da mein Mann zu dieser Zeit beruflich im Ausland weilt, muss ich mich dafür nicht rechtfertigen.

Nach einer bedenklich kurzen Zeit der euphorischen "Die Mauer ist gefallen Rufe", hörte ich von vielen Menschen den Satz: "Ich würde ein Monatsgehalt geben um die Mauer wieder aufzubauen." 'Na toll', dachte ich, 'erst Hurra schreien und dann mit der Sache nichts mehr zu tun haben wollen. Ist mal wieder typisch.' Nach außen verhielt ich mich passiv und lies mich auf das Thema nicht weiter ein.

Nun sind mehr als 20 Jahre nach diesem denkwürdigen Tag vergangen und ich hatte viel Zeit darüber nachzudenken. Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, stelle ich fest, im Februar 1992 begann unmerklich ein neuer Lebensabschnitt für mich. Was war geschehen?

Im Februar 1992 begann ich bei "Bertelsmann LEXIKOTHEK" - mit einer 14tägigen Schulung zur Direktverkäuferin - eine für mich absolut neue Tätigkeit. Worauf ich mich da einlies, dessen war ich mir keineswegs bewusst und das war gut so. Denn hätte ich auch nur den blassesten Schimmer einer Ahnung gehabt, ich hätte nie und nimmer diese Tätigkeit begonnen.

Von dem Produkt, der Lexikothek von Bertelsmann, war ich überzeugt und es machte mir große Freude sie zu verkaufen. Anfangs hatte ich auch Erfolg und fast keine Stornierungen. Dann, ganz unverhofft, kam der Einbruch. Drei Jahre wurstelte ich mich so durch und versuchte an meinen Anfangserfolg anzuknüpfen, dann zog ich einen Schlussstrich; es war mir den finanziellen und zeitlichen Aufwand nicht mehr wert.

Meine Zeit bei Bertelsmann entschwand zunehmend in die Vergangenheit, und je weiter sie sich entfernte, desto klarer wurde mein Blick darauf. Allmählich dämmerte es mir, nicht des Verkaufens wegen landete ich bei Bertelsmann, der Grund war vielmehr die einzigartige Möglichkeit, die sich nur dem Direktverkäufer bietet: Einlass in die Wohnung - dem privatesten Raum - völlig fremder Menschen gewährt zu bekommen. Unzählige Gespräche über "Gott und die Welt" erweiterten meinen Horizont und so ganz nebenbei verkaufte ich auch die ein oder andere Lexikothek. Mein Gebietsleiter war natürlich höchst unzufrieden mit meinen verkäuferischen Leistungen, trugen sie doch wahrlich nicht viel dazu bei, seinen Kontostand zu erhöhen. Also wurden vermehrt "Schulungen" anberaumt, mit dem Schwerpunkt: "Wie verwandle ich das Nein des Kunden in ein Ja?" Wie die Theorie in die Praxis umzusetzen ist, konnte ich mir dann bei den Topverkäufern anschauen, die ich auf ihren Touren begleiten durfte. Mein Erkenntnisgewinn war riesengroß, jedoch nicht im Sinne der Firma "Bertelsmann LEXIKOTHEK". Aus diesem Fundus schöpfe ich noch heute.

Während meiner Zeit bei Bertelsmann bekam ich hautnah mit, wie der Direktvertrieb im Osten von Deutschland aufgebaut wurde. Westdeutsche Verkäufer gingen in den neu zu erschließenden Osten um ihre Produkte an den Mann zu bringen. Als Rüstzeug die vielversprechende psychologische Manipulation, die in Schulungen seit längerer Zeit im Westen vermittelt wurde, im Gepäck. Bertelsmann, Banken, Versicherungsgesellschaften und nicht zuletzt Ottonormalverbraucher zogen - einer Karawane gleich - ge'n Deutschlands Osten und jeder hatte etwas im Schlepptau, womit er die Bürger der ehemaligen DDR zu beglücken gedachte; natürlich gegen gutes Geld.

Wenn ich mir nun vorstelle, ich wäre Bürgerin der DDR gewesen und nach dem Mauerfall besuchte mich der freundliche "Herr Kaiser" der Hamburg Mannheimer, von Bertelsmann oder wie sie alle heißen und irgendwann hätte ich dann feststellen müssen, dass man mich - meine Naivität ausnutzend - über den Tisch gezogen hatte, wie würde ich dann reagiert haben und noch heute darauf reagieren? Hätte ich es abgehackt? Hätte ich es verdrängt und tief in mir vergraben? Hätte ich mir gesagt, was mich nicht "umbringt macht mich stark"? Würde es heute noch in mir gären? ...

Es ist mir bewusst, dass diese Fragen spekulativ und Antworten darauf nicht wirklich zu geben sind. Mancher Leser mag denken: "Was soll das? Das ist doch schon längst vorbei und nicht mehr zu ändern." Zu ändern ist es sicherlich nicht, da die Zeit nicht zurückgedreht werden kann. Doch spekulative Fragen zu stellen macht durchaus Sinn, da sie sehr viel Potential zur Selbstreflektion bergen. Wer sich die Mühe macht, Antworten darauf zu finden, wird am Ende vielleicht Verständnis für Menschen haben, die heute noch geistig in der DDR verwurzelt sind. Das könnte dann der Anfang sein, dass die "zwei Königskinder" doch noch zusammen kommen. Keinesfalls ist es Zielführend, diese Mitmenschen in der Schublade "ewig Gestrige" abzulegen. Sie sind nämlich nicht ewig Gestrige, sondern Verführte, durch anmaßend arrogante falsche Versprechen, wie "blühende Landschaften". Das sollten wir uns alle klar machen.

Diesen Text habe ich nicht geschrieben, um uns Westdeutschen ein schlechtes Gewissen zu machen. Fehler wurden und werden auf beiden Seiten gemacht. Meine Motivation war, einen Denkanstoß zu geben um vielleicht bei dem einen oder anderen Leser ein Umdenken in Gang zu setzen. Im übrigen bin ich der Meinung, dass das Verändern des Denkens ohne ein bisschen schlechtes Gewissen kaum möglich ist.

Mit meinem Dank an Nadja Norden, die mich zu diesem Text inspirierte, schließe ich das Thema ab.

Paulinchen

Bonmot

"Eines ist dein Mögen,
Und ein Andres ist dein Müssen;
Nicht dein Herz nach seinem Wunsche,
Nach der Pflicht frag' dein Gewissen."
Friedrich Wilhelm Weber

Sonntag, 18. April 2010

Kinderlogik

Der Pfarrer möchte den Kindern das Datum ihres Namenstages sagen. "Wann bist Du denn geboren?" fragt er die kleine Uschi.
"Ich bin überhaupt nicht geboren", antwortet Uschi, "ich habe nur eine Stiefmutter."

Samstag, 17. April 2010

Dem anderen Mut machen

Das ist Mut ... unerschütterlich das zu ertragen, was das Schicksal bringt.
Euripides


Mark war fast elf Jahre, ein schmächtiger Junge mit hängenden Schultern, als er Mojo zusammen mit seiner Mutter in die Tierklinik brachte, in der ich arbeitete. Die ausgebeulte Kleidung ließ seine Gestalt noch kleiner erscheinen als sie war, und unter einer abgewetzten Baseballmütze schauten aufgeweckte blaue Augen hervor. Es war klar, dass wir zuerst Marks Vertrauen gewinnen mussten, bevor wir irgendetwas für seinen Hund tun konnten. Mojo war zu diesem Zeitpunkt fast neun und damit ziemlich betagt für einen schwarzen Labrador, jedoch nicht zu alt, um noch Freude am Leben haben zu können. Dennoch sah es im Moment aus, als habe Mojo all seinen Schwung verloren.

Mark hörte aufmerksam zu, als der Tierarzt seinen Hund untersuchte. Er beantwortete Fragen und stellte selbst welche, während er die ganze Zeit über nervös eine blonde Haarsträhne, die aus seiner Mütze hing, aus dem Gesicht wischte. "Mojo wird wieder gesund, nicht war?", brach es aus ihm heraus, als der Arzt gerade gehen wollte. Es gab keine Garantien, aber wenn die Blutuntersuchung erst einmal abgeschlossen war, würde der Arzt genauere Aussagen über Mojos Zustand treffen können. Mojo war an Leber und Nieren erkrankt, und zwar im fortgeschrittenen und letztlich tödlichen Stadium. Mit guter Fürsorge würde er noch eine Weile lang schmerzfrei leben können, aber er würde eine besondere Diät einhalten, Medikamente nehmen und regelmäßig zu Untersuchungen kommen müssen. Der Doktor und ich wussten aus Erfahrung, dass die finanzielle Seite immer ein großes Problem darstellte, aber in dem Moment, als Euthanasie ins Gespräch kam, unterbrach uns Marks Mutter mit den Worten, "Wir lassen Mojo nicht einschläfern." Sie zahlte sofort die Rechnung und Mutter und Sohn führten ihren alten Hund behutsam nach draußen zum Auto, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Wir hörten mehrere Wochen lang nichts von ihnen, aber dann waren sie eines Tages wieder da. Sie sagten, Mojo sei krank gewesen. Er hatte viel Gewicht verloren und wirkte völlig teilnahmslos. Als ich Mojo nach hinten in den Behandlungsraum führte, blockierte plötzlich Marks kleiner Körper den Weg.

"Ich muss mit ihm gehen - er braucht mich", sagte der Junge mit fester Stimme.

Ich wusste nicht, wie Mark all die Nadeln und all das Blut verkraften würde, aber ansonsten sprach nichts dagegen, dass er mit nach hinten kam. Zu meiner Überraschung verhielt sich Mark so, als hätte er alles schon hundertmal vorher gesehen.

"Oh, du bist so ein tapferer alter Junge, Mojo", flüsterte Mark, als der Katheter in Mojos Vene eindrang. Selten zuvor hatten wir einen ähnlich kooperativen Patienten. In unbequemen Situationen bewegte er nur ein wenig seinen Kopf, so als ob er uns daran erinnern wollte, dass er noch da war. Die kleine weiße Hand, die ohne Unterlass tröstend über seine grauhaarige Kehle strich, schien ihm Kraft zu geben.

Dieses Szenario sollte sich in Zukunft noch oft wiederholen. Wir stabilisierten Mojos Gesundheit einigermaßen, schickten ihn nach Hause, er wurde erneut krank, und Mutter und Sohn brachten ihn wieder zu uns. Und wie auch immer wir Mojo behandelten, Mark war ständig anwesend, er stellte Fragen und ermahnte uns, vorsichtig zu sein. Vor allem aber ermutigte er seinen alten Freund und sorgte dafür, dass es ihm so gut wie möglich ging.

Ich machte mir manchmal Sorgen, ob es Mark nicht überforderte, alles mit ansehen zu müssen, aber jede Andeutung, ob er nicht lieber draußen warten wolle, wurde rundweg abgelehnt. Mojo brauche ihn.

Eines Tages sprach ich Marks Mutter an, während ihr Sohn gerade in einem anderen Zimmer war. "Sie wissen, dass sich Mojos Zustand zunehmend verschlechtert. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie lange Sie die Behandlung noch fortsetzen wollen? Das Ganze scheint an Mark nicht spurlos vorüberzugehen."
Marks Mutter hielt einen Moment inne. Dann blickte sie mich an und sprach mit fester, entschlossener Stimme: "Mojo ist schon bei uns, seit Mark noch ein Baby war. Sie sind zusammen aufgewachsen und Mark liebt ihn jenseits aller Vernunft. Aber das ist noch nicht alles."

Sie atmete tief durch und schaute für einen kurzen Moment weg. "Vor zwei Jahren wurde bei Mark Leukämie festgestellt. Er hat gegen diese Krankheit gekämpft und gute Chancen, wieder vollständig gesund zu werden. Er spricht jedoch niemals darüber. Er lässt die Tests und Behandlungen über sich ergehen, als seien sie nicht real und geschähen einem anderen. Was Mojo angeht, so kann er Fragen stellen, und das ist wichtig für Mark. Wir werden daher so lange um Mojo kämpfen, wie er es will."

Die nächsten paar Wochen sahen wir das kleine Trio ziemlich häufig. Marks abrupte Fragen und Beobachtungen, die uns früher eher gestört hatten, bekamen nun eine neue Bedeutung, und wir erklärten ihm ausführlich jede Handlung schon während wir sie ausführten. Wir fragten uns, wie lange Mojo noch so weitermachen konnte. Ein geduldigerer und gutwilligerer Patient war nur schwer vorstellbar, aber der Labrador war inzwischen schrecklich dünn und schwach. Alle Mitarbeiter der Klinik machten sich große Sorgen, ob Mark das Unausweichliche wohl verkraften würde.

Irgendwann kam der Tag, an dem Mojo vor dem geplanten Behandlungstermin zusammenbrach. Es war ein Samstag, an dem sie ihn eilig hereinbrachten. Der Warteraum war überfüllt und so trugen wir Mojo ins Hinterzimmer und legten ihn auf ein paar dicke Decken, während Mark wie immer an seiner Seite blieb. Ich verließ das Zimmer, um einige Dinge zu holen, und als ich ein paar Minuten später zurückkam, stand Mark weinend am Fenster, die Fäuste in den Achselhöhlen vergraben. Ich wollte ihn nicht stören und so schlich ich lautlos aus dem Zimmer. Bis jetzt war er so tapfer gewesen. Als ich später mit seiner Mutter zurückkehrte, kniete er ausgeheult an Mojos Seite. Seine Mutter setzte sich neben ihn und legte ihren Arm um seine Schulter. "Na, wie geht es euch", fragte sie mit sanfter Stimme.

Mark überhörte ihre Frage und sagte: "Mom, Mojo stirbt, nicht wahr?"

"Oh, Liebling ...", ihre Stimme stockte und Mark sprach weiter, so als hätte sie ihm nicht geantwortet.

"Ich meine, all die Säfte und Pillen, helfen sie überhaupt noch?" Er schaute uns an, als wolle er von uns eine Bestätigung seiner Zweifel. "Wenn nicht", er schluckte schwer, "dann sollten wir ihn einschläfern."

Natürlich blieb Mark bei Mojo bis zum Ende. Er stellte Fragen, um sich selbst zu beruhigen, ob es auch wirklich das Beste für Mojo sei und sein Hund auch wirklich keine Schmerzen oder Angst dabei habe. Immer wieder strich er über Mojos Kopf, bis dieser schließlich zum letzten Mal in seinen Schoß fiel. Als Mark fühlte, wie Mojos letzter Atemzug den dünnen Rippen entwich, und als er sah, wie die gütigen braunen Augen seines geliebten Hundes verblassten, schien er alles um sich herum zu vergessen. Er weinte ohne Zurückhaltung und beugte sich über Mojos leblosen Körper, während er langsam seine Mütze abnahm. Erschrocken erblickte ich die Auswirkungen der Chemotherapie, im krassen Gegensatz zu seinem jugendlichen Gesicht. Wir überließen ihn seinem Kummer.

Mark hatte uns nie etwas von seiner eigenen Krankheit oder seinen eigenen Gefühlen auf Mojos Leidensweg erzählt, aber als seine Mutter einige Monate später anrief, weil sie ein paar Fragen zu einem Welpen hatte, den sie kaufen wollte, fragte ich sie, wie es ihm ginge.

"Wissen Sie", sagte sie daraufhin, "es war eine schreckliche Zeit für ihn, aber seit Mojos Tod hat Mark angefangen, über seinen eigenen Zustand zu sprechen. Er stellt Fragen und versucht mehr über seine eigene Situation in Erfahrung zu bringen. Ich glaube, Mark hat dadurch, dass er sich so sehr um den todkranken Mojo gekümmert hat, viel Kraft und Mut gewonnen, um für sich selbst kämpfen und seinem eigenen Leid ins Auge sehen zu können."

Ich hatte immer geglaubt, Mark sei wegen Mojo tapfer gewesen. Aber wenn ich mich an die ruhigen, vertrauensvollen Augen und den freundlich wedelnden Schwanz erinnere, der sich immer hin und her bewegte, egal wie schlecht es dem Hund ging, habe ich eher den Eindruck, dass Mojo wegen Mark tapfer gewesen ist.
Roxanne Willems Snopek Raht

Aus: "Hühnersuppe für die Seele - für Tierfreunde"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Freitag, 16. April 2010

Haltlos

Moderne Zigeuner,
Wüste Gesellen,
Vagabunden des Lebens.
Die ringen
Und suchen -
Doch immer vergebens!
Einsame große Kinder
Mit halbem Wissen
Todtkrankem Herzen -
Und immer hinaus, immer weiter!
Nach außen keck,
Nach innen verjammert,
Den Rücken zerschlagen von der Hand,
An die sie vertrauend sich geklammert!
Ada Christen (1839-1901)

Quelle

Donnerstag, 15. April 2010

Alles Roger?

"... All das bedeutet Arbeit, nichts als Arbeit. Und er spricht über die Geschichte der Arbeit. Während der gesamten Menschheitsgeschichte war Arbeit a priori gegeben. Sie hat die Menschen Jahrtausende lang begleitet, belagert, verfolgt. In den letzten Jahren hat sich dies verändert. Die Arbeit verfolgt nicht mehr. Wir verfolgen sie. Wir fahnden nach ihr. Mit allen Mitteln. Wie nach einem kostbaren Rohstoff. Oder wie Jäger nach Beute. Die eigentliche Arbeit ist heute nicht mehr die Arbeit selbst, sondern die Suche nach Arbeit. Ein arbeitsloser Mensch ist nicht ein Mensch ohne Arbeit. Im Gegenteil. Er ist ein Mensch mit einer ungleich schwierigeren Arbeit, der Arbeit, überhaupt eine Arbeit zu finden. Dies ist die anspruchsvollste Form von Arbeit. Vielleicht gar ihre höchste und vollendetste Form. Arbeitssuche ist ein irreführendes Wort. Sucharbeit ist das Wort. Ein Arbeitsloser leistet fortwährende Sucharbeit. Wenn man will, auch Fahndungsarbeit. Letztendlich trägt er mit seiner - oft aussichtslosen - Arbeit die Arbeit anderer. Dies ist Arbeitsteilung unserer Zeit. Sucharbeit gegenüber gefundener Arbeit. Verfolgung von Arbeit gegenüber Bewahrung von Arbeit. Eroberung von Arbeit gegenüber der Verteidigung von Arbeit. Letzteres ist bei Weitem das Leichtere. Im Vergleich zur Sucharbeit ist die gefundene Arbeit nur noch eine milde Form der Nacharbeit. Reine Absicherung. Verteidigungsmaßnahmen, Befestigungsarbeiten ... Alle Mittel der Arbeitssuche sind deshalb erlaubt. Nicht nur erlaubt, sondern in letzter Instanz notwendig. Alle möglichen oder unmöglichen Wege, Umwege, Seitenwege oder Sonderwege. Jede Finte oder List. Akribie und Ausdauer. Rhetorischen Fähigkeiten, Schauspielfähigkeiten. Überdies analytischen wie strategischen Fähigkeiten. Nerven aus Stahl. Angriffslust. Die Überwindung gewaltiger Bollwerke. Das Anrennen gegen ständige Hindernisse. Das Kapern unzugänglicher Plattformen. Ein Wiederhineinkommen in davon rudernde Boote ..."

Aus: "Schule der Arbeitslosen" von Joachim Zelter

Mittwoch, 14. April 2010

Menschen

Als ich, mit der Welt zerfallen,
Schweigend ging umher,
Da fragten die lieben Menschen:
Was quält dich so sehr?

Ich sagte ihnen die Wahrheit;
Sie haben sich fortgedrückt
Und hinter meinem Rücken
Erklärt, ich sei verrückt.
Ada Christen (1839 - 1901)

Quelle

Ein außergewöhnlich gutes Resümee

Ein Text dessen Verbreitung mir sehr am Herzen liegt.

Eine bessere Ausführung zum derzeit hochkochenden Thema "Kindesmissbrauch" habe ich nirgendwo gefunden. Sachlich und gut durchdacht, dröselt Aebby das Problem auf. Bemerkenswert ist auch der Kommentar dazu von Hans Kolpak.
Lieber interessierter Leser, überprüfe meine Behauptung bitte selbst. Bei Zustimmung bitte weitersagen! Ansonsten, eventuell mehrmals lesen und wirken lassen. Dies ist kein Text, der einfach im Vorübergehen mitgenommen werden sollte.

Hilfreiche Bücher, um sich diesem Thema zu nähern, könnten unter anderem sein:
"Hört ihr die Kinder weinen", herausgegeben von Lloyd de Mause
und
"Am Anfang war Erziehung" von Alice Miller.

Paulichen

Dienstag, 13. April 2010

Die ungehörten Rufe der Kassandra

Viele Menschen zensieren sich selbst, indem sie Informationen, aus welchen Gründen auch immer, abblocken. Oft landen selbige zu schnell in diversen Schubladen. "Verschwörungstheorie", "Braune Soße", "Antisemitismus", "Esoterik" sind besonders beliebt und obendrein sehr effektiv. Wie ich darauf komme? Nun ich schöpfe aus eigenen Erfahrungen, befand ich mich doch lange Zeit selbst in dieser misslichen Lage.

Vor vielen Jahren spielte mir der Zufall ein Buch in die Hände - geschrieben von einem noch sehr jungen Menschen - dessen Inhalt mein damaliges Weltbild komplett auf den Kopf stellte. Jenes Buch enthielt viele brisante, historische Dokumente, die nach langer Zeit der Geheimhaltung an die Öffentlichkeit kamen, sowie Schlussfolgerungen des Autors. Um abzuwägen, wie mein zerbrochenes Weltbild neu zu gestalten war, konfrontierte ich mein näheres Umfeld mit den neu gewonnen Einsichten. "Verschwörungstheorie", "Antisemitismus", "Braune Soße" riefen sie. Jedes Wort traf mich wie ein Peitschenhieb. Zutiefst erschrocken zog ich mich zurück und vermied es weiter darüber zu reden.

Nach außen sah es so aus, als hätte sich dieses Thema für mich erledigt, innerlich jedoch arbeitete es ohne großes Zutun von mir weiter. Meine unstillbare Neugier und die permanente Frage "WARUM" waren meine treuesten Helfer und sorgten für immer neue Nahrung, damit der gelegte Samen wachsen konnte.

Dann geschah etwas Wunderbares. Mir begegnete eine Frau, die meine beste Freundin werden sollte. Sie lehrte mich Hören, Sehen, Verstehen und vor allem Streiten. Mit ihr konnte ich in die Tiefe gehen und die Themen die mich beschäftigten ausdiskutieren. Lange Rede, kurzer Sinn, sie zeigte mir meine Stärken und Schwächen und mittlerweile sind wir beide ein unschlagbares Team. Für mich wurde sie zum "I-Tüpfelchen" meines Lebens.

In jeder Information* steckt ein Körnchen Wahrheit, dass es wert ist gefunden zu werden. Jeder, der wissen will, tut gut daran dieses "Körnchen Wahrheit" zu suchen. Möglicherweise ist ja für den ein oder anderen Leser diese Leseempfehlung der Anfang einer Entdeckungsreise und er kann Kassandra als das erkennen, was sie ist, eine Warnerin vor kommendem Unheil.

Paulinchen

*Den Begriff Information verwende ich nicht für Aussagen wie:
  • "Die Juden streben die Weltherrschaft an."
  • "Ausländer raus"
  • "Deutschland den Deutschen"
  • "Alle Arbeitslosen sind Schmarotzer und arbeitsscheu"
  • und ... und ... und ...
Aussagen dieser Kategorie gibt es unendlich viele. Es sind Behauptungen, persönliche Meinungen die keiner ernsthaften Überprüfung standhalten. Das unselige daran ist, dass sie sich lange im Verborgenen halten und je nach Zeitgeist mit Macht hervorbrechen. Dass diese Art der Manipulation immer wieder funktioniert, zeigt die Meinungsmache im Rahmen der Hartz-IV-Debatte sehr gut auf.

Montag, 12. April 2010

Hemmnis

Die besten Ideen setzt der Mensch nicht um, weil er sich selbst im Weg steht.

Paulinchen

Ertappt

Eine Grundschullehrerin geht zu ihrem Rektor und beschwert sich: "Mit dem kleinen Rudi aus der ersten Klasse ist es kaum auszuhalten! Der weiß alles besser! Er sagt, er ist mindestens so schlau wie seine Schwester, und die ist schon in der dritten Klasse. Jetzt will er auch in die dritte Klasse gehen!"
Der Rektor: "Beruhigen Sie sich. Wenn er wirklich so schlau ist, können wir ihn ja einfach mal testen." Gesagt, getan, und am nächsten Tag steht der kleine Rudi zusammen mit seiner Lehrerin vor dem Rektor. "Rudi", sagt der Direktor, "es gibt zwei Möglichkeiten. Wir stellen dir jetzt ein paar Fragen. Wenn du die richtig beantwortest, kannst du ab morgen in die dritte Klasse gehen. Wenn du aber falsch antwortest, gehst du zurück in die erste Klasse und benimmst dich!"
Rudi nickt eifrig.
Rektor: "Wieviel ist 6 mal 6?"
Rudi: "36."
Rektor: "Wie heißt die Hauptstadt von Deutschland?"
Rudi: "Berlin."
Und so weiter...
Der Rektor stellt seine Fragen und Rudi kann alles richtig beantworten.
Sagt der Rektor zur Lehrerin: "Ich glaube, Rudi ist wirklich weit genug für die dritte Klasse."
Lehrerin: "Darf ich ihm auch ein paar Fragen stellen?"
Rektor: "Bitte schön."
Lehrerin: "Rudi, wovon habe ich zwei, eine Kuh aber vier?"
Rudi, nach kurzem Überlegen: "Beine."
Lehrerin: "Was hast du in deiner Hose, ich aber nicht?"
Der Rektor wundert sich etwas über diese Frage, aber da antwortet Rudi schon: "Taschen."
Lehrerin: "Was macht ein Mann im Stehen, eine Frau im Sitzen und ein Hund auf drei Beinen?"
Dem Rektor steht der Mund offen, doch Rudi nickt und sagt: "Die Hand geben."
Lehrerin: "Was ist hart und rosa, wenn es reingeht, aber weich und klebrig, wenn es rauskommt?"
Der Rektor bekommt einen Hustenanfall, und danach antwortet Rudi gelassen: "Kaugummi."
Lehrerin: "Gut, Rudi, eine Frage noch. Sag mir ein Wort, das mit F anfängt, mit N aufhört und etwas mit Hitze, Feuchtigkeit und Aufregung zu tun hat!"
Dem Rektor stehen die Tränen in den Augen. Rudi freudig: "Feuerwehrmann!"
Rektor: "Schon gut, schon gut. Von mir aus kann Rudi auch in die vierte Klasse gehen oder gleich aufs Gymnasium. Ich hätte die letzten fünf Fragen falsch gehabt ..."

Sonntag, 11. April 2010

Eine französische Katze

"Es ist noch gar nicht lange her, da reisten mein Mann Gene und ich mit dem Mietwagen durch Europa. Wir fuhren auf Nebenstrecken und übernachteten in malerischen Gasthöfen abseits des Wegs. Der einzige Wermutstropfen auf dieser wunderbaren Reise war die schreckliche Sehnsucht, die ich nach unserem Kater Perry hatte. Ich vermisse ihn jedes Mal, wenn wir verreisen, aber auf dieser Reise, die länger als drei Wochen dauerte, war mein Bedürfnis, ihn im Arm zu halten und sein weiches Fell zu streicheln, fast unerträglich. Jede Katze, die uns über den Weg lief, verstärkte noch dieses Gefühl.

Eines Morgens waren wir hoch in den französischen Bergen und packten gerade unser Auto für die Weiterreise, als ein älteres Ehepaar auf das Auto zulief, das neben uns stand. Die Frau hatte einen großen siamesischen Kater im Arm und sprach mit ihm auf Französisch.

Ich bleib stehen und beobachtete sie. Meine Sehnsucht nach Perry war mir wohl ins Gesicht geschrieben. Die Frau blickte mich an und sprach zu mit ihrem Mann und ihrem Kater. Dann kam sie direkt auf mich zu und hielt mir, ohne ein Wort zu sagen, ihren Kater hin.

Ich nahm ihn sofort in den Arm. Im ersten Moment fuhr er aus Vorsicht seine Krallen aus, denn er war es nicht gewohnt, von einer Fremden gehalten zu werden. Aber dann zog er sie wieder ein, schmiegte sich an mich und begann zu schnurren. Ich vergrub mein Gesicht in seinem weichen Fell, während ich ihn sanft hin und her schaukelte. Danach gab ich ihn - noch immer wortlos - der Frau zurück.

Ich lächelte sie dankbar und mit Tränen in den Augen an. Die Frau hatte gefühlt, dass ich gerne ihren Kater in den Arm nehmen würde, und der Kater hat gespürt, dass er mir trauen konnte. Und so haben beide nach ihrem Gefühl gehandelt und mir damit ein großes Geschenk gemacht.

Gut zu wissen, dass die Sprache der Katzenliebhabern - und der Katzen - auf der ganzen Welt verstanden wird."
Jean Brody

Aus: "Hühnersuppe für die Seele - Für Tierfreunde"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Klappt auch bei Menschenliebhabern und Menschen! Wetten?

Paulinchen

Samstag, 10. April 2010

Lachen ist gesund

Die Lehrerin fragt die Schüler: "Was ist ein Steinbutt?"
Fritzchen antwortet: "Ein ganz flacher Fisch."
Lehrerin: "Und warum ist der denn so flach?"
Fritzchen: "Weil er Sex mit einem Wal hatte."
Empört geht die Lehrerin mit Fritzchen zum Direktor, und erzählt ihm die ganze Geschichte. Da fragt der Direktor: "Wieso machst du solchen Mist?"
Fritzchen: "Ich kann auch nichts dafür, wenn die Lehrerin so dumme Fragen stellt, sie hätte besser gefragt warum der Frosch so große Augen hat."
Direktor: "Warum hat der denn so große Augen?"
Fritzchen: "Na, der hat das Ganze doch gesehen!"

Maßgebend

„Der einzige Tyrann, den ich in dieser Welt anerkenne, ist die leise innere Stimme.”
Mahatma Gandhi

Freitag, 9. April 2010

Das soll Mundraub sein?

Gestern - ich war mit dem Auto unterwegs um meine Besorgungen zu erledigen - erreichte mich über das Radio folgende Nachricht: "Fleischhändler reißt Restaurantgästen die Steaks vom Teller". Staunend hörte ich den Bericht der Sprecherin und wähnte mich im falschen Film. Wieder zu Hause, konnte ich mich dann im Internet überzeugen, dass es keine Ente war.

Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie in der Gastronomie Lieferung und Bezahlung gehandhabt werden, die Schlussfolgerung der Polizei, dies ist nur eine "grobe Unfreundlichkeit", kann ich nicht nachvollziehen. Für mein Verständnis ist solches Handeln kein Mundraub, sondern Selbstjustiz.

Es bleibt nur zu hoffen, dass dies ein Einzelfall bleibt.

Paulinchen

Bevor ich mit den Wölfen heule

Bevor ich mit den Wölfen heule,
Werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
Verwandele ich mich in eine Eule
Oder vielleicht in eine graue Sau.
Ich laufe nicht mit dem Rudel,
Ich schwimme nicht mit im Strudel,
Ich hab‘ noch nie auf Befehl gebellt.
Ich lasse mich nicht verhunzen,
Ich will nach Belieben grunzen,
Im Alleingang, wie es mir gefällt!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!

Rechnet nicht mit mir beim Fahnenschwenken,
Ganz gleich, welcher Farbe sie auch sein‘n.
Ich bin noch imstand‘, allein zu denken,
Und verkneif‘ mir das Parolenschrei‘n.
Und mir fehlt, um öde Phrasen,
Abgedroschen, aufgeblasen,
Nachzubeten jede Spur von Lust.
Und es paßt, was ich mir denke,
Auch wenn ich mich sehr beschränke,
Nicht auf einen Knopf an meiner Brust!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!

Bevor ich trommle und im Marschtakt singe
Und blökend mit den Schafen mitmarschier‘,
Gescheh‘n noch viele ungescheh‘ne Dinge,
Wenn ich mir je gefall‘ als Herdentier.
Und so nehm‘ ich zur Devise
Keine andere als diese:
Wo schon zwei sind, kann kein dritter sein.
Ich sing‘ weiter ad libitum,
Ich marschier‘ verkehrt herum,
Und ich lieb‘ dich weiterhin allein!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!
Erinnert euch daran: Sie waren zwölfe:
Den dreizehnten, den haben sie eiskalt
Verraten und verhökert an die Wölfe.
Man merke: Im Verein wird keiner alt!
Worum es geht, ist mir schnuppe:
Mehr als zwei sind eine Gruppe.
Jeder dritte hat ein andres Ziel,
Der nagelt mit Engelsmiene
Beiden ein Ei auf die Schiene!
Nein, bei drei‘n ist stets einer zuviel!
Ich will in keinem Haufen raufen,
Laß mich mit keinem Verein ein!
(Reinhard Mey)
Quelle

Donnerstag, 8. April 2010

Geld abschaffen? Warum?

Epikurs Forderung "Geld abschaffen!", die auch viele andere stellen, ist durchaus verständlich, würde jedoch das Problem nicht beseitigen. Die Welt in der wir heute leben, kann ohne ein Zahlungsmittel nicht existieren. Warum sollte es also nicht das Geld sein?

Das Problem ist nicht das Geld, sondern der Zins. Demnach müsste die Forderung heißen "Zins abschaffen!" und zwar ohne "Wenn und Aber". Zudem müsste das Geld ein Verfallsdatum erhalten.

Wer jetzt sagt, so ein Quatsch, wie soll das denn funktionieren?, den möchte ich bitten, sich diesen und vielleicht auch diesen Film in aller Ruhe ansehen.

Um einen moderaten Umgang mit Geld zu erarbeiten, wäre es von immensen Vorteil, wenn sich viele Menschen mit der Thematik Geld ernsthaft und im Sinne des Allgemeinwohls beschäftigen würden.
  • Was genau ist Geld?
  • Wie entsteht es?
  • Was sind Zins und Zinseszins?
  • Womit wird der Zins bezahlt?
Erschreckend wenig Menschen wissen darüber Bescheid, oder haben eine Ahnung von dieser Materie. Eine gute Adresse sich zu informieren, ist unter anderem Professor Bernd Senf.

Über Geld wusste ich bis vor Kurzem nur, dass man es unbedingt zum Leben braucht. Manche werden mit dem "Goldenen Löffel im Mund" geboren und alle anderen müssen dafür arbeiten. Fast jeder versucht soviel Geld wie möglich zu bekommen um sorgenfrei leben zu können. Wege dies zu erreichen gibt es viele. Die einen schuften sich zu Tode, andere versuchen ihr Glück im Spiel, wieder andere erbetteln es, einige Rauben und Morden sogar dafür. Ach ja, und dann ist da noch die Bank, bei der man sich das Geld, das die Sparer auf ihren Sparkonten der Bank anvertrauen, gegen Zinsen ausleihen kann.

Stimmt das?
Ist das wirklich so?
Oder ist es vielleicht ganz anders?

Wer neugierig und in der Lage ist sich seine Naivität in Puncto Geld einzugestehen, dem werden die vorangegangenen Links vielleicht die Augen öffnen.

Paulinchen

Hörempfehlung

Kaum einer beherrscht die Kunst zu erklären so gut wie Volker Pispers. Diesmal zur Rente. Anhören, darüber nachdenken und nicht mehr vergessen. Bei Bedarf immer wieder anhören und vor allem: Weitersagen und mit anderen darüber diskutieren.

Paulinchen

Mittwoch, 7. April 2010

Jaja, die Terroristen

Einfach klasse. Danke, Lisa Fitz!

Paulinchen

Dienstag, 6. April 2010

Nein, meinen Gott repräsentiert ihr nicht!

"Heiliger Vater, das Volk Gottes ist mit Dir und wird sich nicht von dem unbedeutenden Geschwätz dieser Tage beeinflussen lassen"

Im Alter von etwa 35 Jahren trat ich aus der kath. Kirche aus. Viele Jahre brauchte ich dann um herauszufinden, dass Gott und Kirche nicht zusammen passen, demnach auch keine Einheit sind. Nun weiß ich auch warum die Kirche ihre Gläubigen "Schäfchen" nennt.

Wer ernsthaft glaubt, dass Gottgefälliges Leben und Tun nur unter der Ägide der Kirche möglich ist, der irrt in meinen Augen gewaltig.

Die Kirche hat aus Jesus etwas gemacht, was er nie vor hatte zu werden, einen Religionsstifter. Jesus war ein Mensch mit allen menschlichen Fassetten. Er fand, dass die jüdische Glaubensgemeinschaft in eine menschenunfreundliche Richtung ging und wollte dies berichtigen, indem er den Menschen erzählte, wie er sich das Verhältnis von Mensch zu Gott vorstellte. Er traf mit seinen Ansichten auf viele offene Ohren. Durch die ständig wachsende Anhängerschaft fühlten sich die Konservativen bedroht. Da die jüdischen Priester ihre Pfründe wahren wollten, beschuldigten sie ihn der Gotteslästerung und lieferten ihn den römischen Behörden aus. Der Grundstein zu einer neuen Religion war damit gelegt. Heute wäre Jesus kein Religions-, sondern ein Unruhestifter und Terrorist.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden die "Gotteshäuser" immer pompöser und der Geist der Schafhirten immer desaströser.

Paulinchen

Bonmot

„Sobald der Geist der Ausbeutung besiegt ist, wird man Aufrüstung als eine ganz unerträgliche Last empfinden. Zu wirklicher Abrüstung kann es erst kommen, wenn die Völker der Welt aufhören, sich gegenseitig auszubeuten.”
Mahatma Gandhi

Sonntag, 4. April 2010

Der Wind geht allezeit über das Land

Der Wind geht allezeit über das Land,
Über Seen und Wälder und goldenes Korn,
Über Dörfer und Städte, über kargen Sand,
Und er weiß nichts von Ehre, von Stolz und von Zorn.
Und es kümmert ihn nicht, wer die Menschen regiert,
Welche Macht, welche Lehre den Erdball umspannt,
Wer den Acker bestellt, wer zum Krieg ausmarschiert,
Der Wind geht allezeit über das Land.

Der Wind geht allezeit über das Land,
Verlass‘ne Geschütze, zerschlag‘ne Armeen,
Durch schwarze Ruinen und lodernden Brand
Und läßt alle Gebete ungehört verweh‘n,
Fragt nicht, wessen Blut gleichgültige Erde tränkt,
Noch für welchen Kriegsherren, welches Vaterland
Der sein armseliges, kurzes Leben verschenkt,
Der Wind geht allezeit über das Land.

Der Wind geht allezeit über das Land,
Über blühende Felder und weiße Alleen,
Von hölzernen Kreuzen auf Hügeln im Sand,
Die – ein endloses Heer – stumm in Reih‘ und Glied steh‘n.
Und die Staatsmänner kommen und stellen sich hin,
Legen Kränze nieder, reichen sich die Hand
Und wagen zu sagen: All das hat seinen Sinn!
Und der Wind geht allezeit über das Land.

Und die Staatsmänner kommen und stellen sich hin,
Legen Kränze nieder, reichen sich die Hand
Und wagen zu sagen: All das hat seinen Sinn!
Und der Wind geht allezeit über das Land.
(Reinhard Mey)
Quelle

Samstag, 3. April 2010

Stimmt das?

Warum haben Männer ein Gen mehr, als ein Pferd?
Damit sie beim Autowaschen nicht aus dem Eimer trinken.

Nehmt es mir nicht übel liebe Männer, aber den fand ich einfach zu gut.

Paulinchen

Freitag, 2. April 2010

"Gnothi seauton"

Jedes Lebewesen ist etwas Einmaliges. Jedoch nur wenige Menschen erkennen die wirkliche Bedeutung und haben den Mut die Verantwortung für diese Einmaligkeit zu übernehmen.

Paulinchen

Donnerstag, 1. April 2010

Arschkriecher-Ballade

An einem trüben Tag, als er gerade vierzehn war
Eben wuchs auf seiner Brust das erste blasse Haar
Spielte er für sich im Wald, da rief sein Vater ihn herein

Brachte ihn zu seiner Mutter, ließ ihn dann mit ihr allein
Den Kopf mit Waldgeschichten voll gestopft bis an den Rand

Drei Federn noch im Schopf, Pfeil und Bogen in der Hand
Stand er da ganz nackt und seine knochige Gestalt

War von Kopf bis Fuß mit bunten Kriegszeichen bemalt
Seine Mutter strich um ihn herum und deutete dann

Mit dem Blick auf seinen rot-weiß-grün gestreiften Pillermann

Sagte: „Ach, mein Junge, wenn du schon so gerne malst und schmierst

Sorge ich dafür, dass du was Künstlerisches wirst.“


Kurze Zeit darauf fand sich ein Warenhaus bereit
Ihn als Schildermaler einzustellen, mit 'ner Probezeit

Er bestaunte, dass ihm tagelang der Mund weit offen stand

In dem großen Hause all' die neuen Dinge, die er fand

Schöne Menschen gab es dort, mit Gesichtern, glatt und weich

Und er schaute in den Spiegel, lief schnell weg und fragte gleich

Einen unrasierten alten Mann mit einem eckigem Gesicht:

„Warum sind wir beide denn so hässlich und die Andern nicht?“
„Wenn's dein Wunsch ist“, sprach der Mann, „so wie die Anderen zu sein
Halte dich an deinen Chef, kriech ihm einfach hinten rein!
Das übst du fleißig, bis sich dein Profil schön sanft und glatt

An der Darmwand deines Vorgesetzten abgeschliffen hat!“

Und schon wandte sich der Junge an den sauberen Verein

Mit dem heißen Wunsch, bald auch so'n schöner Arschkriecher zu sein

Doch da zeigten sich die Menschen sehr verwundert und empört

Taten so, als hätten sie dieses Wort noch nie gehört

Sie packten ihn am Arm, führten ihn in einen Raum

Da hing ein hoher Vorgesetzter, höher als ein Baum

Von der Zimmerdecke, festgeschnallt auf einem Stützkorsett

Dessen nackter Hintern pendelte schön glänzend, bleich und fett

Wie ein praller Gasballon, nur zigtausend mal so schwer

Als die Tür aufging, kaum wahrnehmbar, im Luftzug hin und her

Der Junge spürte, als das dicke Ding da vor ihm schwang

Eine sanfte Hand im Nacken, die ihn in die Knie zwang


Und da fand er sie, die Öffnung, ganz tief unter, gar nicht groß

Und er jauchzte laut vor Freude und sofort ließ man ihn los

Er atmete tief ein, bohrte dann mit aller Macht

Seinen dürren Knabenkörper in den engen, dunklen Schacht

Doch im nächsten Augenblick ein heißer Druck, ein Donnerschlag

Und als er drauf halb betäubt in einer Ecke lag

Einen Mann vor Schmerz laut brüllen hörte, war ihm endlich klar

Dass er als Afterkriecher völlig ungeeignet war

Er befühlte sein Gesicht, es war noch alles wie vorher

Nur mit der scharfen Krümmung seiner Nase hatte er

Dem Vorgesetzten nicht allein den Schließmuskel geritzt

Sondern ihm auch noch der Länge nach den Mastdarm aufegschlitzt


Voller Angst sah er jetzt, wie die schönen Menschen um ihn her

Hässlich wurden und ihn schlugen, und schon spürte er nichts mehr

Als er dann erwachte sah er jenen alten Mann
Mit dem eckigen Gesicht, er kroch hin und schrie ihn an:
„Ich hab' die Menschen jetzt, wie sie wirklich sind, geseh'n
Und ich krieche auch nie wieder, davon wird man gar nicht schön

Ich will wissen, alter Mann, was ist mit den Leuten los

Wenn sie schon nicht hübscher werden, warum kriechen sie denn bloß?“

„Schwer zu sagen“, sprach der Mann, „manch einer kriecht ja auch nicht gern

Und er meint, er muss es tun, um die Familie zu ernähr'n

Dem Andern macht es Spass, er schafft sich Frau und Kinder an

Als Vorwand, nur damit er besser arschkriechen kann!“

(Hannes Wader)

Quelle: http://lyricwiki.org/Hannes_Wader:Arschkri...