Freitag, 5. Februar 2010

Wenn einer eine Reise tut ...

Eine junge Bochumerin entschloss sich, ihren Urlaub in den USA zu verbringen. Ihre Leidenschaft ausliegendes, meist kostenloses Informationsmaterial zu sammeln, wurde ihr zum Verhängnis. In einer Bibliothek übersah sie, dass für ein Exemplar ihrer Trophäen 13 $ zu entrichten waren. Der schrille Signalton - Haltet den Dieb - hinderte sie, die Bibliothek zu verlassen, sie wurde festgenommen und in Handschellen abgeführt. In einem gerichtlichen Schnellverfahren wurde sie dann zu vier Tagen Gefängnis verurteilt. Während ihres Aufenthaltes im Gefängnis hatte sie dann Gelegenheit, die Behandlung von Gefangenen in den USA kennenzulernen. Nach Verbüßung ihrer Strafe setzte sie ihren Urlaub fort. In einem Interview im WDR 2 erzählte sie, dass einer schwangeren Frau eine Decke verwehrt wurde, mit der sich die werdende Mutter hätte wärmen können. Es gab auch keinerlei medizinischen Versorgung, wovon sie selbst betroffen war (mir ist entfallen an welcher Erkrankung sie litt). Im Großen und Ganzen empfand sie ihre Situation und die Behandlung eigentlich ganz lustig und will wieder in die USA reisen.

Auch ich war einige Male in den USA, da mein Mann dort beruflich tätig war. Es ist ein sehr schönes Land mit wunderbaren Menschen. Es war immer ein Traum von mir, einmal in dieses Land zu reisen. Mein Bild von Amerika war durchweg positiv und ich verklärte es, schon aus dem Grunde, weil mein Vater (ich habe ihn nie kennengelernt) ein G.I. war. Nach meinen Aufenthalten in den USA aber hat sich mein Bild vollständig gewandelt.

Bei meinem ersten Aufenthalt in den USA lernte ich Gudrun, eine deutsche Auswanderin, kennen und wir freundeten uns an, was bis heute andauert. Von ihr habe ich vieles über die USA erfahren.

Sie arbeitet in einer amerikanischen Restaurant-Kette als Bedienung und hatte 2001 2,83 $ brutto Stundenlohn. Ihr Arbeitgeber zahlt zu ihrem Glück für sie die Krankenversicherung, aber nur, wenn sie eine festgelegte Anzahl an Stunden arbeitet. Sie ist auf Gedeih und Verderb auf die Gunst ihres Vorgesetzten angewiesen, da bei zu wenig Arbeit ein Teil des Personals nach Hause geschickt wird und nur die Stunden bezahlt werden, die sie auch arbeitet. Es kommt auch schon mal vor, dass die Vorgabe nicht erreicht wird. Einmal im Jahr helfen die Kinder den Müttern beim Bedienen, um so mehr Trinkgeld von den Kunden zu bekommen. Alles, was an diesem Tag an Trinkgeld eingenommen wird, bekommt eine zuvor ausgewählte gemeinnützige Einrichtung.

Gudrun wohnt in einem mobilen Haus, vergleichbar mit unseren Wohncontainern. Dafür muss sie Miete in Höhe von 600 $ berappen. Seit ich Gudrun kenne, ist meine Sympathie für die USA verflogen. Für mich ist es ein Land mit der Maxime: Haste was, biste was!

An dem Tag, als die biometrischen Pässe eingeführt wurden, habe ich beschlossen, nicht mehr in die USA zu reisen. Ein Land, das mit seinen Gästen so umgeht, hat meinen Besuch nicht verdient.

Paulinchen

3 Kommentare:

  1. Hallo Paulinchen,
    jetzt mal ganz ehrlich. Das war alles neu für Dich?

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  2. @ Juergen

    ein bemerkenswert inhaltsvoller Kommentar, der die interlektuelle Befähigung von Großteilen der Bevölkerung in den USA ziemlich genau wiedergibt. Zweifelsfrei sind auch wir aus besten Grund genau auf den Weg dahin.

    Herzlichen Dank an die Autorin, die mit ihren Erlebnissen einmal wieder zum Nachdenken aufruft.

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  3. Eine Bemerkung ueber die Krankenversicherung: Der Arbeitgeber bezahlt einen Teil der versicherung fuer das Personal dass mindestens 32 Stunden pro Woche arbeitet, aber zuerst muss der Arbeiter ihren Anteil bezahlen was fuer den, der ein Kind hat knapp $200 pro 2 Wochen oder ueber $400 pro Monat ist. Wenn man nur $12oo verdient($2.83 plus Trinkgelder) und dann $600 Miete bezahlt, bleiben nur $200 fuer essen,Benzin, Telefon, TV,Kleidung etc.In anderen Worten: Es ist unmoeglich.

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