Reichtum ist Verstand
Es gab einen Mann, der sehr verständig war und immer das Rechte zu treffen wusste, wenn man sich in der Gemeinde über etwas beriet. Weil er aber sehr arm war, galt es für Torheit, was er sagte, und man hörte nicht auf ihn. Eines Tages dachte er, er müsse erst reich sein, damit seine Stimme in der Gemeinde Geltung haben würde. Er sagte es seiner Frau, und sie war damit zufrieden. So zog er fort und verdingte sich bei einem großen Herrn als treuer Ziegenhirt. Nach 20 Jahren wünschte er, nach Hause zu gehen. Der Herr hatte nichts dagegen, ließ einen Bock schlachten und dessen Fell mit Goldstücken anfüllen. Mitsamt einem Pferd gab er dies dem Hirten und sprach: "Das ist für deine treuen Dienste. Aber noch eines rate ich dir: Bist du heim gekommen, lasse deinen Zorn drei Mal abkühlen, ehe du etwas tust!" Der Mann zog fort, und in seinem Dorf angelangt, dauerte es nicht lange, bis er seine Frau sah. Sie kam mit einem jungen Mann nach Hause. Heftiger Zorn ergriff ihn, aber er dachte an die Worte seines Herrn. Abends sah er durch das Fenster seines Hauses, und seine Frau aß mit dem jungen Mann, und beide waren froh. Sein Zorn stieg, und er wollte gleich - aber der Rat fiel ihm ein. Am Morgen hörte er Leute sprechen: "Heute gibt es also Hochzeit..." Der Mann bezog dies auf seine Frau, und die Galle stieg ihm aufs Höchste: Er wollte sie auf der Stelle erschießen. Wieder fiel ihm der Tat ein, und so wollte er ihr erst das Unrecht vorhalten und sie dann bestrafen.
Er ging hin, seine Frau ließ ihn ein und erkannte ihn nicht. Voller Freude ob des schönen Tagbes lud sie ihn ein, zu bleiben, da sie ihrem Sohn heute die Hochzeit gebe. Nichts fehlte ihr zu ihrem Glück, als dass ihr guter Mann nicht da sei. Von dem habe sie seit 20 Jahren nichts gehört, sagte sie weinend. Der Mann stand wie eine Bildsäule und schämte sich zutiefst. Er hatte übel gedacht und sogar seinen Sohn vergessen. Endlich gab er sich zu erkennen. und sie waren sehr glücklich.
Der Man wurde wegen seines Reichtums bald bekannt und angesehen, und was immer er sagte, fand Glauben. Selbst wenn er log, er habe abends seine Ackereisen ins Stroh gelegt, und siehe da, bis zum Morgen hätten die Mäuse sie gefressen. zweifelte niemand daran, und er ärgerte sich: "Als ich die Wahrheit sagte, glaubte man mir nicht, weil ich arm war. Jetzt zweifelt niemand an mir, weil ich reich bin."
Josef Haltrich (leicht geändert und gekürzt)
Aus Matrix 3000, Januar 2006
Mittwoch, 14. Oktober 2009
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