Donnerstag, 19. August 2010

Der Markstein meines Lebens

Schein und Sein
Mein Kind, es sind allhier die Dinge,
Gleichviel, ob große, ob geringe,
Im wesentlichen so verpackt,
Dass man sie nicht wie Nüsse knackt.

Wie wolltest du dich unterwinden,
Kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von außenwärts.
Du siehst die Weste, nicht das Herz.
Wilhelm Busch


Der Moment in dem sich mein Leben unmerklich aber radikal veränderte, ist mir noch sehr präsent. Wieder einmal berichteten die Medien über einen Fall, der die Öffentlichkeit laut aufschreien lies und überall hörte man die Frage: Was sind das nur für Menschen, die dabei stehen und nicht helfend eingreifen?

Was war geschehen? Ein Kind - ich weiß nicht mehr wie alt - wäre fast im Schwimmbad ertrunken und von allen Umstehenden reagierte nur ein körperlich Behinderter der sofort ins Wasser sprang, um dieses Kind zu retten. Natürlich hätten sich alle, die nicht vor Ort waren so verhalten wie der einsame Retter. Auch ich stimmte in diesen Kanon der Verurteiler ein. Doch mitten im Satz verstummte ich, denn es meldete sich eine Stimme, die da sagte:
"Meine liebe Margitta, du hast leicht reden. Da du nicht schwimmen kannst, hast du die denkbar beste Ausrede um in diesem Fall nicht helfen zu müssen. Was aber wäre, wenn du schwimmen könntest und dabei gewesen wärst? Wärst du gesprungen?"
Da ich mich selbst nicht belügen kann, konnte ich darauf nur eine Antwort geben: Ich weiß es nicht!

Seit diesem Erlebnis, ist es mir unmöglich über andere ein Urteil zu fällen. Ganz egal, was andere getan oder nicht getan haben, solange ich nicht weiß, was die ausschlaggebenden Gründe für das Handeln oder Nichthandeln waren, steht es mir nicht zu, darüber zu urteilen. Ich kann nur dem Leben dankbar sein, dass es mich auf diese Weise nicht prüfte. Zu sagen, ich hätte dieses oder jenes gemacht, entspringt nur meiner Vorstellung und ist folglich rein spekulativ. Das einzige was ich in solchen Situationen tun kann (und auch immer öfter tue,) ich wünsche jedem Betroffenen, dass er Menschen findet, die ihm ehrlichen Herzens helfen, die Ursachen zu finden, damit danach Verantwortung für das Handeln oder Nichthandeln übernommen werden kann.

Warum glaube ich, dieses doch sehr persönliche Erlebnis ins Netz stellen zu müssen? Nun ja, täglich erhalte ich unter anderem via Internet Informationen, die mir das Leben verstehen helfen und mich in meiner Entwicklung weiter bringen. Vielleicht wartet ja da draußen ein Mensch genau auf diesen Bericht und ich kann damit Hilfe geben, so wie ich Hilfe empfange.

Paulinchen

4 Kommentare:

  1. Man sollte nicht springen, weil man dann selbst ertrinken könnte. Für vieles braucht man professionelle Hilfe. Und die muss herbeigeholt werden. Selbst ist nicht immer klug, meist überhaupt nicht. Die Aufschreier sind meist dumme Menschen, die hinterher immer alles besser wissen.

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  2. Hallo Margitta,

    sehr ansprechender und - wie ich finde - auch wichtiger Beitrag, der eines der wesentlichsten Probleme unserer Zeit (mangelnde Hilfsbereitschaft) mit einer absolut treffenden Botschaft verbindet. Ob andere diese Botschaft annehmen und für sich / ihr Leben einzusetzen gewillt sind, ist letztlich nicht Dein Problem, aber wenn "sie" es täten, würde unsere "Gesellschaft" fraglos einen weiteren Schritt hin zu einer GEMEINSCHAFT zu bewältigen vermögen!

    @PeWi

    Von der Logik her ist Ihr Einwand zweifelsohne berechtigt, kommt aber leider ein wenig verallgemeinernd daher. Selbstverständlich ist Hilfsbereitschaft (ob nun in einer lebensbedrohlichen Notlage oder nicht) nur im Zusammenspiel mit einer gesunden Selbsteinschätzung vernünftig (blödes Wort in diesem Zusammenhang, aber was soll's). Deshalb heißt es ja auch, das jeder Mensch IM RAHMEN SEINER MÖGLICHKEITEN UND FÄHIGKEITEN zur Hilfeleistung verpflichtet sein sollte! - Wer sich selbst überschätzt und dann bei dem Versuch, einen anderen Menschen zu retten, ums Leben kommt, hat in der Tat im höchsten Grade dumm gehandelt.

    Darum ging es im Kern dieses Artikels aber nicht; wobei auch zu konstatieren ist, dass die Fälle, in denen Hilfeleistung durchaus möglich wäre, aber dennoch nicht gewährt wird (aus welchen vorgeschobenen Gründen auch immer) jene der oben angesprochenen Art leider doch bei Weitem überwiegen!

    Zum Thema "professionelle Hilfe", die man vorzugsweise herbeirufen sollte, könnte man auch noch das eine oder andere sagen (bspw. dass sie zu spät kommen könnte, was dann formaljuristisch erhebliche Fragen aufwerfen und dem "lieber Hilfe rufenden" Menschen unter Umständen jede Menge Ärger eintragen könnte!), aber da es hier um den obenstehenden Artikel geht, lasse ich das doch lieber weg.

    Nur meine persönliche Meinung, deshalb nichts für ungut.

    Mit freundlichen Grüßen
    Adalbert (Naumann)

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  3. Liebe PeWi,

    danke für Deinen Kommentar. Mit dem letzten Satz triffst Du den Kern meines Eintrages zielgenau. Warum nennst Du die "Aufschreier" DUMM? Ist Dir bewusst, dass Du sie damit be- und verurteilst? Möchtes Du, dass die Menschen so mit Dir umgehen?

    Jeder Mensch hat seine Gründe, für sein Handeln oder Nichthandeln, ob diese ihm nun bewusst sind oder nicht, beurteilen kann jeder nur sich selber. Keiner hat das Recht über andere ein Urtel zu fällen, auch wenn wir dieses von Kindesbeinen an lernen.

    Wenn hier ein Umdenken stattfinden würde, dann wäre das, meines Erachtens, ein guter Anfang für eine Veränderung zum Wohle ALLER.

    Wir müssten nur lernen uns selber respektvoll zu behandeln.

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  4. Ich weiß nicht, ob das hierherpasst:
    ich habe mal jemandem vermutlich das Leben gerettet. Eine völlig unspektakuläre Situation, im Bahnhof fällt eine ältere Frau auf der Treppe hintenüber. Ich bin direkt daneben knapp hinter ihr, brauche nur zwei Schritte auf sie zu und fange sie auf, noch bevor sie richtig in Schwung kommt. Wäre sie gestürzt, hätte sie sich das Genick brechen können. Es gab ein kurzes Dankeschön und kein Aufsehen.
    Für mich war das wichtig, weil ich dadurch weiß, daß mein Hilfsreflex funktioniert. Da war nämlich überhaupt kein Raum zum Überlegen (kann ich die halten, huch, wie kann ich die denn anfassen, was denken die anderen etc.)
    Ich bin dadurch etwas mutiger in der Annahme, daß ich auch ins Wasser springen würde, um jemanden zu retten. (ich kann gut schwimmen.) Aber sicher weiß ich es auch nicht. Ich denke aber, wenn da viele schon stehen und gaffen und nichts tun, wäre mir als Querulanten das eher noch Antrieb, etwas zu machen. ich hoffe das.

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