Dienstag, 11. Mai 2010

Revolution in die Köpfe

Immer wieder lese oder höre ich den Satz: "Es müsste mal eine Revolution geben." Jedes mal durchläuft mich ein kalter Schauer, ich halte unwillkürlich den Atem an und lausche, ob der Lärm von aufgestauter Wut und blindem Hass schon zu hören ist ...

Vor einigen Tagen stolperte ich bei YouToube über ein Zeitdokument von Rudi Dutschke, Rudolf Augstein und Ralf Dahrendorf, in dem Rudi Dutschke erklärt, was er unter Revolution versteht und unter welchen Voraussetzungen eine Revolution erfolgreiche Veränderung bringen kann.

Da sich das gesprochene Wort nur allzuschnell verflüchtigt und Informationen, zum besseren Verständnis, mit allen Sinnen - in diesem Fall durch Hören und Lesen - aufgenommen werden sollten, habe ich die Möglichkeit für beides geschaffen. Beim Umwandeln von Ton in Schrift, ist mir vieles bewusster geworden.

Rudi Dutschke
"Revolution ist nicht ein kurzer Akt, wo mal irgendwas geschieht und dann ist alles anders. Revolution ist ein langer komplizierter Prozess, wo der Mensch anders werden muss. Wir haben vor zwei Jahren in kleinen esoterischen Zirkeln geglaubt, wir haben den Weltgeist für uns gemietet. Heute sind es Tausende. Eine Minorität, in der Tat. Aber der Prozess der Veränderung geht über diesen Weg, des wie ich es mal genannt hab, des langen Marsches durch die bestehenden Institutionen, in denen durch Aufklärung, systematisch Aufklärung und direkte Aktionen, Bewusstwerdung bei weiteren Minderheiten in- und außerhalb der Universität, in Schulen, Berufsschulen, auch in Ingenieursschulen, auch Technische Universitäten und schließlich in Betrieben, grad wo Arbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen. Dieser Prozess hat begonnen und das ist eine langwierige Geschichte, die jetzt grade erst von uns in Gang gesetzt wurde, aber schon darauf hin deutet, dass wir nicht allein bleiben. Wenn wir allerdings unseren angefangenen Weg beenden und an der Universität scheitern, dann ist es sicher, dass der Weg in der Gesellschaft verbaut ist. Und ein letztes, die Frage von Konterrevolution und Revolution. Der Begriff der Revolution ist heute auch nur noch international zu begreifen. Es wird keine deutsch Revolution geben. Es wird aber einen weltweiten Prozess der Emanzipation in einem langen Sinne geben. Völker kämpfen schon."

Rudolf Augstein
"Ja, ich habe mich etwas gewundert, dass Herr Dutschke so großen Wert darauf legt, dass er als subversives Element verleumdet wir. Ich hatte gehofft er empfindet sich als ein subversives Element. Will damit nicht sagen, dass wir uns alle als solche empfinden sollten, vielleicht sollten wir das aber. Die Revolution ist aber doch eine Sache, die im äußersten, ein äußerstes Mittel aus einer, man darf sagen, aus einer äußersten Not heraus und eine Spielerei wie sie im Moment öfter erscheint, kann sie natürlich nicht sein."

Ralf Dahrendorf
"Wenn es Revolutionäre gibt, ohne eine Situation in der sie gemacht werden kann, dann werden die leicht zu komischen Figuren. Meine eigene These ist, dass wir zwar einige Revolutionäre unter uns haben und ich bin froh darüber, aber eine revolutionäre Situation beschreibt die gegenwärtige Lage der Bundesrepublik nicht. Das heißt also, ich würde Herrn Dutschkes Frage, wo sind die Bedingungen der Reform gleich konkret beantworten wollen, damit, dass ich sage, es gibt Bedingungen für mögliche Reformen heute. Um eines allerdings muss ich, für die Zwecke der Diskussion, Herrn Dutschke bitten. Wenn sie sagen, es ist ein langer, langer Weg und wenn sie hinweisen, auf die Jahrzehnte, die das dauern kann, dann machen sie ihre Auffassung unangreifbar. Was soll jemand dazu noch sagen? Das ist also schlicht eine Theorie die man in die Welt setzen kann, aber die man nicht mehr diskutieren kann. Das heißt also, wenn sie einfach..." (Abbruch durch Applaus)

Rudi Dutschke
"Es kann keine Studentenrevolution geben. Ein, das was Revolution heißen könnte, könnte nur heißen, einer Mehrheit dieser bestehenden Bevölkerung ist bewusst geworden in einem langen Prozess von Aufklärung und Aktion und akzeptiert die bestehenden Institutionen nicht mehr. Erst dann ist Revolution möglich. Wir haben begonnen, stehen vielleicht am Ende der vorrevolutionären Phase, haben aber absolut noch keine Möglichkeit als Studenten Revolution zu machen. Das wäre nichts anderes, als eine Reproduktion der Elitentheorie, dass wir als Studenten dem Volk sagen könnten was los ist. Ich fühle mich nicht als Elite. Ich bin einer von denen, die die Chance haben zu studieren, einiges zu erkennen und habe die Aufgabe und Pflicht - und das ist der Wissenschaftsbegriff der dahinter steht, über den muss noch geredet werden - Wissenschaft als Moment der Selbstbefreiung des Menschen von unbegriffenen Mächten. Das heißt Aufklärung aus dem wissenschaftlichen Studium heraus. Und als Wissenschaftler haben wir die Aufgabe diesen Prozess der Selbstbefreiung des Menschen von den unbegriffenen Mächten zu forcieren und uns nicht zu Objekten anderer Mächte der Gesellschaft zu machen."

Rudolf Augstein
"Dies hier sind eschatologische Vorstellungen. Man will eine neue Gesellschaft schaffen nur durch den revolutionären Willen von meinetwegen noch so beachtlichen Einzelnen und Herr Dutschke ist so ein beachtlicher Einzelner. Aber, diese neue Gesellschaft zu schaffen, den neuen Menschen zu schaffen für die Versöhnung von Mensch und Natur tätig zu werden, darunter können wir uns nichts vorstellen, damit dürfen sie uns auch nicht traktieren."

Rudi Dutscke
"Es gilt erstmal ein Bewusstsein des Missstandes zu schaffen. Jetzt nicht gleich zu fragen, gib doch die Antwort. Ein Dutschke will keine Antwort geben, das wäre genau wieder die manipulative Antwort, die ich nicht zu geben bereit bin. Denn was soll es bedeuten, als Einzelner Antworten zu geben, wenn die Gesamtgesellschaftliche Bewusstlosigkeit bestehen bleibt. Die muss durchbrochen werden, dann können Antworten gegeben werden."

Auf YouToube Rudi Dutschke Bewusstlosigkeit in der BRD

Die Eliten haben Rudi sehr gut verstanden und wussten um die Gefahr, die sich da anbahnte und prompt haben sie die Universitäten als Keimzellen für Umstürze unbrauchbar gemacht. Langsam aber stetig haben sie den Studenten die Zeit genommen, die sie benötigen um sich Gedanken über Missstände und Veränderungen in der Gesellschaft zu machen. Der Wandel der Gesellschaft tat das übrige.

Mein Wunsch ist, dass viele Menschen die Worte von Rudi verinnerlichen und somit der Wille zu Veränderungen - von der alle Menschen profitieren - wieder möglich wird. Die Worte Menschlichkeit, Mitgefühl, Gemeinsamkeit ... wieder mit Leben gefüllt werden und nicht nur tote Worte bleiben.

Revolution beginnt im Kopf und muss mit klarem Verstand und kühlem Kopf zu ihrem Ende geführt werden und sie braucht viele Köpfe, gleich einer Hydra. Wut, Hass, Vergeltung, Mord sind keine brauchbaren Werkzeuge für Veränderung.

Paulinchen

5 Kommentare:

  1. Na ja. Aus heutiger Sicht hat Dutschke den Begriff Revolution mit dem der Evolution verwechselt. Aber angesichts der Sichtweise seiner Zeit, und da auch heute noch den meisten bei Evolution, leider außer Darwin nix einfällt, sei es ihm vegönnt.

    Revolution ist übrigens ein Wort der ganz frühen Astronomen, welches nichts anderes beschreibt als die Umdrehung eines Himmelskörpers. Der Begriff der "radikalen" Umkehr des Vorhandenen hat sich über die franz. Rev. bis in heutige Zeiten erhalten. Letztendlich steckt nichts anderes dahinter, als eine grottenmäßige und ziemlich blauäugige Radikalveränderung des Momentanen. Das ganze in der Hoffung das die Umkehrung den eigenen Wünschen entspricht.

    Augsteins Beschreibung kommt der Sache näher;

    Die Revolution ist aber doch eine Sache, die im äußersten, ein äußerstes Mittel aus einer, man darf sagen, aus einer äußersten Not heraus und eine Spielerei wie sie im Moment öfter erscheint, kann sie natürlich nicht sein."


    Der schnelle und unüberlegte Ruf nach einer Revolution, ist ein ziemlich dummer Ruf, den auch Dutschke nicht wollte. Und Evolution, ist leider ein extrem missbrauchtes Wort.

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  2. Ups. Nachtrag, bzw. Berichtigung.
    "ve(r)gönnt", soll heißen "gegönnt" ;-)

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  3. Revolution.. im Zusammenhang mit Evolution; da fällt mir im Kontext zu Paulinchens abschliessenden Worten nur ein Konstrukt ein: Re-Evolution.

    Rückbesinnung auf soziale Werte im Gemein- u. Gesellschaftsleben. Bei näherer Betrachtung hat es diese Werte aber nie tatsächlich und vollumfänglich gegeben, ergo sind sie auch nicht wieder-hol-bar. Am Anfang wehrte sich der Mensch gegen seine Fressfeinde - der Nahrung, des überlebens Willen. Später wehrte er Stall-Diebe ab - der Nahrung u. des überlebens Willen. Was ist jedoch heute? Der Mensch hortet, müht sich ab - des überlebens Willen. Für seine Wehrhaftigkeit gegen Ausbeutertum ist keine Zeit. Er ist ausschließlich damit beschäftigt sich und seine Familie über Wasser zuu halten. Die "eingebauten" Ellenbogen dienen lediglich nur noch zum Wegstossen von gleichwertigen (gefühlten) Neidern.

    Eine Rückbesinnung, eine Revolution.. ja - sie beginnt im Kopf. Das allein reicht aber eben nicht aus, wenn man geneigt ist den Nachbarn als Feind wahrzunehmen. Das ist das was wir aus uns haben machen lassen. Wir wurden zur Gier erzogen, denn einzig fürs Überleben können wir tatsächlich kämpfen und würden es vermutlich schon längst tun wenn es notwendig wäre. Der Schoss ist noch nicht groß genug.

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  4. Ich würde Rudi Dutschke zustimmen. Erst wenn die Zustände bewusst sind, können sie auch verändert werden. Alles andere ist nur wieder saurer Wein in alten Schläuchen.

    Schuldzuweisungen an Regierungen und andere Institutionen verstärken nur den Ist-Zustand, denn die Regierung ist quasi nur der Schaum auf der kollektiven Suppe. Veränderungen gibt es nur, wenn sich der Mensch innerlich verändert und dem zuwendet, was er will und nicht ewig und immer dem, was er nicht will.

    Veränderungen zum gewünschten Zustand sind Evolution. Revolution ist nur Umsturz und eine "Gegenhaltung". Evolution ist eine "Pro-Haltung" und das ist der fundamentale Unterschied, denn was man bekämpft verstärkt man. Ausschließlich!

    bl

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