Montag, 25. Januar 2010

Zurück in die Sklaverei?

Fast könnte man das annehmen, wenn man folgende Zeilen liest:
****** Personaldienstleistungen GmbH
Gefahr von Arbeitsplatzverlust / drohende Arbeitslosigkeit

Sehr geehrter Mitarbeiter, sehr geehrte Mitarbeiterin,
leider müssen wir mit diesem Schreiben auf einen bedrohlichen und akuten Umstand hinweisen und dieser nennt sich: viel zu hoher Krankenstand bei der Firma Eupec Pipecoatings GmbH.
Was möchten wir Ihnen damit sagen?



In keinem anderen Unternehmen in Norddeutschland gibt es so einen prozentual hohen Krankenstand wie im Unternehmen Eupec in Mukran. Dieses ist unannehmbar und wird vom Unternehmen Eupec ab sofort und in Zukunft nicht mehr geduldet. Die Krankenrate ist im 2-stelligen Prozentbereich und hat in einigen Abteilungen schon verheerende Auswirkungen auf den Produktionsfluss. Ebenfalls liegt das Unternehmen Eupec weit hinter den notwendigen Planungen. Dies ist für den Konzern und natürlich auch für den Kunden nicht akzeptabel. Sie selber sollten sich überlegen, wo in Ihrem Verantwortungsbereich Reserven stecken um aktiv an der Arbeitsplatzerhaltung mit zu wirken. Wir als Unternehmen Gi Mumme GmbH sind angehalten worden, noch schneller Arbeitsplätze zu besetzen, die durch Krankheitsausfall Lücken gerissen haben und damit die Produktion aufrecht erhalten werden kann.

Ebenfalls wurden wir darüber informiert, dass es seit geraumer Zeit zu Nichtbereitschaft von Überstunden oder Sonderschichten (z.B. Samstag) gekommen ist um große Produktionsrückstände aufzuholen. Sollten Mitarbeiter weiterhin, trotz Aufforderung der Firma Eupec GmbH, Überstunden ablehnen, muss auch hier über einen kurzfristigen Austausch nachgedacht werden. Bitte seien Sie sich alle bewusst, dass Sie, durch den fahrlässigen Umgang mit Krankenscheinen und die Ablehnung von Überstunden, akut die Arbeitslosigkeit herbeirufen. Sollten Sie Zulagen zu Ihrem Stundenlohn erhalten vergessen Sie bitte nicht, dass diese nur gezahlt werden, wenn Sie produktiv tätig sind und Sie schmälern auch Ihr Punktekonto im Prämiensystem.

Ich möchte Sie nochmals bitten, die Notwendigkeit einer hundertprozentigen Arbeits- Leistungsbereitschaft mitzubringen, wenn Sie weiterhin bei der Firma Eupec beschäftigt bleiben wollen.

Sollten Sie Fragen zu diesen Ausführungen haben, steht Ihnen gerne unser Büro in Mukran oder in Strahlsund zwischen 08:00 Uhr und 17:00 Uhr zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen


Derlei Dreistigkeit muss man sich erst einmal vorstellen! Hier hält also eine Zeitarbeitsfirma ihre Angestellten dazu an, gefälligst gesünder zu sein, da sie ansonsten ihren Job verlieren würden. Just in diesem Moment tönts aus fernen Kindertagen „Gschwerl!“ [1] Herr Peter M., der für diesen Brief verantwortlich zeichnet, ist allen Ernstes davon überzeugt, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten sei, für seine Belegschaft Löhne zu zahlen, wovon sie leben können. Dies ist seiner Aussage nach die Pflicht der Allgemeinheit. „Lieber Herr M., die Allgemeinheit steht auch nicht in der Pflicht, ihnen ein gutes Auskommen mit ihrem Einkommen zu ermöglichen.

Wer will, kann den Brief auch bei Anne Will lesen.

[1] Eine Übersetzung dieses urbayerischen Begriffs findet sich beispielsweise bei "Bayrisch lernen.de".

3 Kommentare:

  1. Des is a Beleidigung fürs Gschwerl, soichane Sai Gschwerl zu hoaßn.

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  2. Und solche Briefe sind zulässig? Einfach nur erschreckend!

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  3. Gell, da gehen euch die Augen auf, daß die Zumutbarkeitsregeln immerzu unanständigerweise nicht vom braven Arbeitsmann verfasst werden!?

    Hätte es denn weniger erschreckend ausgesehen, wenn der Brief mit "Werter Prolet,.." angefangen hätte, und fortgeführt worden wäre mit:"Wenn Sie nicht bereit sind, sich an der Arbeitsfront für das Wohl der Firma zu ruinieren, sehen wir uns leider von Ihnen gezwungen...?"
    Danke für dieses Zeitdokument.

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