Samstag, 30. Januar 2010

Zum Lesen, wenn du allein bist

Ich war dreizehn Jahre alt. Meine Familie war vor einem Jahr von Nordflorida nach Südkalifornien umgezogen. Ich knallte mit Macht in die Adoleszenz. Ich war zornig und rebellisch und nahm kaum Rücksicht auf das, was meine Eltern zu sagen hatten, besonders, wenn es mit mir zusammenhing. Wie so viele Teenager mühte ich mich ab, allem auszuweichen, was nicht mit meinem Bild von der Welt übereinstimmte. Als Kind, das "glänzend ohne Führung zurechtkommt", lehnte ich jedes offene Liebesangebot ab. Tatsächlich wurde ich bei der bloßen Erwähnung des Wortes "Liebe" zornig.

Eines Abends stürmte ich nach einem besonders schwierigen Tag in mein Zimmer, verschloss die Tür und ging ins Bett. Als ich mich hinlegte, glitten meine Hände unter das Kopfkissen. Da war ein Briefumschlag. Ich zog ihn heraus. Und auf dem Umschlag stand: "Zum Lesen, wenn die allein bist."

Da ich allein war, würde niemand erfahren, ob ich das nun las oder nicht, also öffnete ich den Brief. Er lautete: "Mike, das Leben ist im Moment schwer. Ich weiß, dass du frustriert bist und ich weiß, dass wir nicht alles richtig machen. Außerdem weiß ich, dass ich dich rückhaltlos liebe, und nichts, was du tust oder sagst wird daran jemals etwas ändern. Ich bin für dich da, falls du jemals das Bedürfnis hast zu reden, und wenn nicht, ist das auch okay. Du sollst nur wissen, das ich dich immer lieb haben und stolz darauf sein werde, dass du mein Sohn bist, egal, wohin du gehst oder was du tust in deinem Leben. Ich bin für dich da und ich hab dich lieb - das wird sich nie ändern. Alles Liebe, Mami."

Das war der erste von mehreren mit "Zum Lesen, wenn du allein bist" betitelten Briefen. Wir redeten nie darüber.

Heute reise ich in der Welt herum, um Menschen zu helfen. Ich hielt in Sarasota, Florida, ein Seminar, als am Ende des Tages eine Dame an mich herantrat und mir von den Schwierigkeiten berichtete, die sie mit ihrem Sohn hatte. Wir spazierten zum Strand hinaus, und ich erzählte ihr von der unerschütterlichen Liebe meiner Mutter und den "Zum Lesen, wenn du allein bist" Briefen. Mehrere Wochen später erhielt ich ein Postkarte, auf der stand, dass sie ihren ersten Brief geschrieben und ihn für ihren Sohn hinterlassen hatte.

Als ich an diesem Abend zu Bett ging, legte ich die Hände unter mein Kissen und erinnerte mich an die Erleichterung, die ich jedes Mal empfand, wenn ich einen Brief bekam: Inmitten meiner turbulenten Teenagerjahre waren die Briefe die beruhigende Versicherung, dass man mich nicht wegen, sonder trotz meines Betragens oder Wesens lieben konnte. Unmittelbar vor dem Einschlafen dankte ich Gott, dass meine Mutter wusste, was ich, ein zorniger Teenager, dringend brauchte. Wenn heute die See des Lebens stürmisch wird, weiß ich: Unter meinem Kissen befindet sich diese beruhigende Versicherung, dass Liebe - unbeirrbare, beständige, bedingungslose Liebe - Leben verändern kann.


Mike Staver, aus: "Hühnersuppe für die Seele - für Mütter", Jack Canfield/Victor Hansen

1 Kommentar:

  1. eine schöne und wichtige Geschichte ... jetzt versuche ich mal einen anonymen Kommentar, lg aebby

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