Mittwoch, 11. April 2012

Man nehme Mut, Humor, Fantasie und lebe sein Leben

„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung“
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 Exodus


 
So lange ich zurückdenken kann, war ich noch niemals richtig glücklich. Es liegt nicht an persönlichen Eitelkeiten, dass es so ist, wie es ist. Meine Kindheit war erfüllt und ich übte bis vor kurzem einen angesehenen Beruf aus, der es mir ermöglichte, ein gutes Leben zu führen, zumindest materiell. Ich bin emotional gut ausgeglichen, wie man es wohl ausdrücken würde, und kann mich in Liebesdingen nicht allzu viel beschweren. Dennoch hat es da in meinem Leben schon immer andere Einflüsse gegeben, Interferenzen sozusagen, Störfaktoren, die es mir unmöglich machten, mit diesem Leben wirklich glücklich zu sein. Es kommt mir vor, als blickte ich durch trübes Glas, das mir den ganzen schönen Ausblick ruiniert. Ich habe mich hin und wieder glücklich gewähnt, doch ich war es nicht. Die Welt, die mich umgibt, drückt wie ein kleiner Stein im Schuh, der jeden noch so kleinen Schritt mit Schmerzen unterlegt. Es ist der Zustand dieser Welt, der störend auf mein Leben einwirkt, der Stein im Schuh, das trübe Glas, das dieses Leben unerträglich werden lässt. Jede persönliche Freude wird zur Farce, wenn sie von Unglück umgeben ist. Wie führt man ein gutes Leben in einer schlechten Welt?

Ich habe schon vor langer Zeit damit aufgehört, anderen Menschen von meinem Unbehagen zu erzählen, denn ihre Antworten sind immer gleich: »Das Leben ist kein Wunschkonzert«, sagen sie, oder: »Es ist nun mal so«, sie meißeln Phrasen in die Welt wie: »Anderen geht es viel schlechter« und »Nimm’s nicht so schwer«, sie antworten nicht ernsthaft, sie geben nur wieder. Als würde das irgendetwas ändern, stellen sie Sprüche in den Raum und wollen damit Trost spenden oder abspeisen, das eine kommt dem anderen gleich, denn es sind sinnlose, inhaltsleere Sätze. »Hau doch ab, wenn es dir hier nicht gefällt«, legen sie mir unmissverständlich nahe, ein ums andere Mal, doch wo ist es besser, frage ich mich dann.

Sie meinen, ich müsse nur endlich erwachsen werden und mich einfach bloß zusammenreißen, müsse begreifen, dass all das normal ist, worüber ich beunruhigt bin. Ihnen fällt überhaupt nicht auf, wie oft sie »man muss« und wie selten sie »ich will« verwenden. Sie verlangen Disziplin, doch ich möchte niemandes Sklave sein, nicht einmal mein eigener, oder vielmehr schon gar nicht. Sie werfen mir unaufhörlich vor, ich käme nicht zurecht mit dieser Welt. Sie sagen, ich sei depressiv und krank, als wäre es ein Ausdruck von geistiger Gesundheit, an kranke Verhältnisse gut angepasst zu sein. Sie möchten mich behandeln, mich normalisieren, mich wieder eingliedern in diese Welt, mit der ich meinen Frieden schließen soll, doch wenn sie Frieden sagen, meinen sie bloß Kapitulation. Sie wollen, dass ich verleugne, wie ich mich wirklich fühle, sie möchten mein Unbehagen in einen Kasten sperren und diesen dann irgendwo versenken, auf dass er für immer verschwunden bleibt. Sie drängen mich dazu, mein inneres Leben aufzugeben, um am äußeren zu partizipieren. Ich soll es jenen recht machen, die mich als Menschen negieren. Aber bin ich wirklich krank? Bin ich krank, weil ich aus dem herausfalle, was sie allen Ernstes als normal bezeichnen?
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Lieber Mischa, danke für diesen wunderbaren Text.

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