"Deine Einstellung bestimmst du selbst. Es steht dir frei, dich als Opfer der Umstände oder Menschen zu sehen oder aber dem Leben mit einem offenen Geist und einer siegreichen Haltung entgegenzutreten. Niemand sonst kann deine Einstellung für dich wählen. Dein Blickwinkel und die Wahl deiner Einstellung geben dir die nötige Kraft und Übersicht. Das ist die Essenz wahrer Freiheit."
Irene Dunlap
Die Jacke des Bobfahrers
Solange er denken konnte, hatte Jack davon geträumt, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Jahrelang hatte er hart daran gearbeitet, ein guter Bobfahrer zu werden, und das Training und seine Zeiten wurden immer besser. Nun waren er und seine Manschaftskammeraden in Sapporo bei den Olympischen Winterspielen in Japan das amerikanische Bobschlittenteam!
Sie waren auf dem Weg zur Eröffnungsparade. Athleten aus aller Welt versammelten sich, um in das Olympiastadion einzumarschieren. Jack und seine Kameraden lachten und scherzten, ihre Herzen schlugen vor Freude ein wenig schneller. Alles war perfekt - oder besser gesagt, fast alles. Der Ärmel von Jacks Olympiajacke war eingerissen. Er mochte die rot-weiß-blaue Jacke mit dem Schriftzug "USA" auf der Vorderseite und den olympischen Ringen auf der Rückseite, doch hatte er sich ein paar Stunden zuvor beim Klettern über einen Zaun den Ärmel zerrissen.
"Wie schade um deine Jacke", sagte sein Freund Bill.
"Ja ärgerlich", erwiderte Jack, "aber ich denke nicht, dass es jemand bemerken wird."
"Sie werden es bemerken", meinte Bill. "Japaner registrieren solche Dinge. Sie werden wahrscheinlich über uns lachen."
Jack antwortete nicht. Bills Vater war im Zweiten Weltkrieg während der Inselschlachten von japanischen Soldaten getötet worden. Jack wusste, dass Bill sich in Japan etwas unwohl fühlte.
Plötzlich kam ein kleines japanisches Mädchen auf Jack zu und deutete direkt auf den Riss in seinem Ärmel. Jack lächelte sie an und wusste nicht, was er tun sollte. Also sagte er: "Äh... Ohayo... Guten Morgen!" Das kleine Mädchen erwiderte seinen Gruß mit Ohayo und sprudelte drauflos. Sie redete mit Worten auf ihn ein, die er nicht verstehen konnte. und deutete auf seinen zerrissenen Ärmel. Jack schaute seinen Freund an und zuckte mit den Schultern. "ich weiß nicht, was sie will", sagte er.
Das Mädchen begann an seiner Jacke zu ziehen. Ihre Augen waren sehr hell, und ihr glattes schwarzes Haar fiel auf den Rücken über ihren Wintermantel.
"Sie will, dass du deine Jacke ausziehst!", rief Bill.
"Oh - ich habe verstanden", sagte Jack. "Sie möchte sie anprobieren. Klar Mädchen - hier hast du sie." Er zog seine Jacke aus und gab sie dem Mädchen. Sie nahm sie und verbeugte sich. Er verbeugte sich ebenfalls. Doch als er seinen Kopf wieder hob, lief sie mit seiner Jacke davon! "Hey!", rief er hinter ihr her.
"Diese kleine Diebin!", rief Bill. "Sie hat die Jacke gestohlen!" Jack lief einige Schritte hinter ihr her, aber im Nu war sie im Gewühl der Straße verschwunden.
"Ich habe dich gewarnt, Jack - du kannst diesen Leuten nicht trauen!", sagte Bill mit lauter Stimme und flammenden Augen.
"Sei ruhig Bill! Einige von ihnen sprechen vielleicht Englisch!", meinte einer der anderen Bobfahrer.
Bill sagte nichts mehr, doch sein Zorn stand ihm noch ins Gesicht geschrieben. "Tja, was mache ich nun?", fragte sich Jack. "Ich brauche meine Jacke für die Parade."
"Tu dir keinen Zwang an, Jack", meinte ein weiterer Teamkollege. "Du musst halt so gehen, wie du bist."
Zwanzig Minuten später standen sie mit den anderen amerikanischen Athleten zusammen und warteten auf den Beginn der Parade. Bill stand direkt neben Jack. Er spürte, dass Jack etwas beunruhigt war. "Es ist in Ordnung, Kumpel", beruhigte er ihn. "Du gehörst zu uns - jeder kann das erkennen. Ich wünschte nur, ich würde dieses Kind zu fassen kriegen."
Plötzlich spürte Jack ein Zupfen, dieses Mal an seinem Hendsärmel. Er schaute hinunter. Es war das japanischen Mädchen. "Du!" entrüstete sich Jack und legte seine Hände auf ihre Schultern, sodass sie nicht weglaufen konnte. Doch sie lächelte ihn nur an. In ihren Händen hielt sie seine Jacke. Sie hielt sie ihm hoch. Jack nahm sie - und dann verstand er. Der lange Riss im Ärmel war verschwunden. Er war so sorgfältig genäht worden, dass keine Spur mehr davon zu sehen war. Er musste sie dicht vor seine Nase halten, damit er die Stiche erkennen konnte. Bill schaute das kleine Mädchen sprachlos an. Sie lächelte ihn und Jack an und verbeugte sich wieder.
"Bill!", sagte Jack. "Sie hat sie nicht gestohlen! Sie hat sie zum Ausbessern mitgenommen!"
"Sie muss zu ihrer Mutter oder sonst jemandem gelaufen sein - und sie haben sie einfach ausgebessert!", sagte ein anderer Bobfahrer. "Heiliger Strohsack, Jack - sie wollten dir die Peinlichkeit auf der Parade ersparen!"
Musik ertönte und die Parade begann. Auf den Straßen von Sapporo marschierten Tausende von Athleten neben- und hintereinander und trugen stolz die Farben ihrer Nation. Sie schritten in demselben Rhythmus und mit derselben Freude einher und waren entschlossen, ihr Bestes zu geben.
An diesem Tag gab es noch einen zusätzlichen Marschierenden in der Parade. Ein japanisches Mädchen, das kein Englisch sprach, saß zuerst auf den Schultern eines amerikanischen Bobfahrers namens Jack - und dann auf den Schultern seines Kollegen mit dem Namen Bill.
Tim Myers
Aus: "Hühnersuppe für die Seele - für Kinder"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen
Eine schöne Geschichte !
AntwortenLöschenJa, wir haben die Wahl zu entscheiden, sie sollte als Geschenk angesehen werden, wie wir uns entscheiden obliegt uns.
Lg,
Sabine
Liebes Paulinchen,
AntwortenLöschenVielen Dank. Dieses Zitat zur Einstellung und Blickwinkel ist prima und nehme ich über in „Politiek en Cultuur“. Ich war nachschauen wer diese Irene Dunlap wohl sein kann. „Man kann alt werden wie eine Kuh, man lernt immer noch dazu“ (Sächsische Weisheit). Umarme und küsse Margitta ganz zärtlich von mir.
Sonnige Frühlingsgrüße aus Flandern,
Nadja
<3