Donnerstag, 31. Januar 2013

Herzen bei der Arbeit

Eigenes Geld

"Kann ich Ihnen helfen?", fragte ich.

Die Frage gehörte zu einem der beiden Jobs, die ich hatte. Aber wenn ich dafür weiter im College bleiben konnte, war es die Sache wert. Der erste Job war Telefonmarketing: Ich rief Leute zu Hause an, um sie zu fragen, ob sie diese oder jene Zeitschrift abonnieren wollten. Da die Anrufe zwischen siebzehn und zweiundzwanzig Uhr erfolgten, betrachteten die meisten Leute sie als eine Störung ihres Abendessens oder ihrer freien Zeit mit der Familie oder von beiden. Mit meinem Job in Wolfe's Department Store verhielt es sich ganz anders. Er war eher ein Vergnügen als eine Arbeit, denn hier bestand meine Aufgabe darin, die Reihen mit herrlichsten Kleidungsstücken aus den zartesten Stoffen in Ordnung zu halten und an reizende Frauen mit manikürten Nägeln und gestylten Frisuren zu verkaufen - Frauen, die sich solche Dinge leisten konnten oder gern leisten würden.

"Hmmm, ich hoffe es", meinte sie versonnen. Sie war hübsch, um die fünfunddreißig. Sie trug ein leichtes gelbes Sommerkleid und Sandalen, und ihr kastanienbraunes Haar umspielte in weichen Locken ihre Schultern.

"Mein Mann hat in sechs Wochen Klassentreffen, und ich möchte besonders hübsch für ihn aussehen", fuhr sie fort. "Vor sechs Wochen habe ich hier ein wunderschönes pfirsichfarbenes Seidenkleid gesehen. Erst nachdem ich es anprobiert hatte, wurde mir klar, wie teuer es ist, und deshalb war ich fast erleichtert, als sich der Schnitt als nicht sehr vorteilhaft für mich erwies, denn seit ich schwanger war, habe ich ein paar Pfunde zugelegt. Aber das Kleid war so schön, dass es mich dazu motivierte, wieder meine alte Figur zu bekommen, und nachdem ich die jetzt habe und in ein paar Wochen das Treffen stattfindet, dachte ich, ich sollte anfangen, nach einem passenden Kleidungsstück zu suchen. Ich hatte gehofft, dieses Kleid noch hier vorzufinden, obwohl ich mir andererseits nicht vorstellen kann, dass ein so schönes Kleid noch da ist; aber vielleicht ja doch, sagte ich mir. Oder vielleicht haben Sie ja etwas Ähnliches."

Ich meinte: "Wir können ja mal nachsehen, ob das Kleid noch da ist." Wir wanderten durch die vier Reihen mit perfekt aufgehängten Kleidungsstücken, aber das Kleid, nach dem sie suchte, war nirgendwo zu sehen. An ihrer Körpersprache konnte ich ablesen, dass sie wirklich enttäuscht war.

Sie atmete so schwer und lange aus, wie sie eingeatmet hatte. "O Mist", meinte sie offensichtlich frustriert.

"Wir haben letzte Woche eine neue Lieferung Seidenkleider bekommen", meinte ich aufmunternd in dem Versuch, ihr zu gefallen, sie zu beschwichtigen und ihr weiterzuhelfen. "Sie sind dort drüben, wenn Sie sie sich einmal anschauen wollen. Vielleicht finden Sie etwas Ähnliches oder sogar etwas, da Ihnen noch besser gefällt." Ich führte sie zu der Stange mit den neuen Kleidern, die gerade angekommen waren. Sie sah sie langsam durch, während sie die zarten Stoffe vorsichtig mit ihren langen schlanken Fingern berührte.

"Ach", klagte sie, als sie die eleganten Roben durchsah, "Sie hätten dieses Kleid sehen sollen." Sie lächelte und ihre Augen begannen zu strahlen. Dann fing sie an, sich nach anderen Dingen umzusehen, aber das spezielle Kleid, das sie vor ein paar Wochen gesehen hatte, beschäftigte sie immer noch, und sie fuhr fort, es in allen Einzelheiten zu beschreiben. Plötzlich fiel mir ein, dass wir ein paar von diesen Kleidern noch im Geschäft haben könnten. Ein paar Stücke waren in eine andere Abteilung gebracht worden, damit in unserer Abteilung Platz für die neue Lieferung wurde.

"Welche Größe haben Sie?", fragte ich.
"38", erwiderte sie.

"Wenn es Ihnen nichts ausmacht, einen Augenblick zu warten, sehe ich in einer anderen Abteilung nach. Ich bin sofort zurück."

Als ich wiederkam, saß sie in einem Sessel und wartete geduldig auf meine Rückkehr. Es war klar, dass das pfirsichfarbene Seidenkleid mit den stoffbezogenen Knöpfen ihr Traumkleid war. Als sie sah, dass ich mit genau dem Kleid zurückkam, das sie beschrieben hatte, stand sie auf und legte mit einem Ausdruck des Erstaunens beide Hände auf den Mund.

"Hey", jubelte sie aufgeregt. "Genau das ist es! Das ist das Kleid!"

"Größe 38!" meinte ich triumphierend und hielt es ihr vergnügt hin. "Und ein Sonderangebot, vierzig Prozent Rabatt!"

Die Frau konnte ihr Glück kaum fassen. Sie nahm das Kleid und verschwand schnell in einer Umkleidekabine. Ein paar Augenblicke später tauchte sie wieder auf, um sich in ganzer Größe im Spiegel anzusehen. Sie drehte sich langsam, um sich aus jedem Winkel zu begutachten, und sah sich prüfend das Bild im Spiegel an. Sie hatte Recht, das Kleid war wunderschön, und es stand ihr blendend. aber da war mehr als die Verwandlung eines Kleides, das an ihrem Körper anders wirkte als auf dem Bügel. Auch sie selbst empfand sich nun als wunderschön und elegant, und ihr strahlendes Gesicht zeigte ihre Freude. Sie sah mich an und lächelte. Es brauchte keine Worte. Es war klar, dass der Designer eine Frau wie sie im Sinn gehabt hatte, als er das Kleid entworfen hatte.

"Vielen Dank, vielen, vielen Dank...", - sie warf einen Blick auf mein goldenes Namensschildchen - "Bettie, und... übrigens, ich bin Molly."

Molly zahlte das Kleid bar; sie packte sorgfältig ein Bündel Scheine in meist kleiner Stückelung aus, zählte genau den Betrag ab, den sie für das Kleid brauchte, und legte die Scheine auf den Ladentisch. Ich packt ihr wunderschönes neues Kleid ein und legte es in eine elegante Einkaufstüte. Als ich sie ihr überreichte, streckte sie die Hand aus, um meine zu berühren, und sagte mit weicher, aufrichtiger Stimme: "Nochmals ganz, ganz herzlichen Dank für Ihre Hilfe, Bettie. Ich bin so glücklich, dass Sie dieses Kleid für mich gefunden haben. Ich kann es gar nicht erwarten, es zu tragen."

Ich war mir jetzt noch sicherer als je zuvor, dass es mir, wenn ich einmal verheiratet wäre, auch riesigen Spaß machen würde, Dinge zu tun, durch die ich für meinen Mann zu etwas Besonderem würde. Mir dämmerte auch, dass es sehr viel besser war, seinen Lebensunterhalt dadurch zu verdienen, dass man anderen Menschen half, sich glücklich zu fühlen, als ihr Abendessen und ihren Feierabend durch den Verkauf von Zeitschriftenabonnements zu stören.

Meine Gedanken hielten nicht lange vor.

Ein paar Tage später kam eines Abends ein gut aussehender Mann zu meinem Ladentisch. Er knallte eine Einkaufstüte von Wolfe's auf die Theke und knurrte: "Das hier geht zurück." Schmallippig fügte er hinzu: "Gegen bar."

Ich öffnete die Tüte, und dort lag ein wunderschönes pfirsichfarbenes Seidenkleid Größe 38. Ich drehte das Etikett um, und in meiner Handschrift standen da die Codenummer des Geschäfts, das Verkaufsdatum und mein Kassencode.

"Die Etiketten sind alle noch dran", hauchte leise eine Frauenstimme. Ich sah auf, ein paar Schritte hinter ihm, stand demütig und verlegen Molly. Ich begriff überhaupt nichts mehr.
 
"Ach", sagte ich überrascht, dass das Kleid zurückgegeben wurde. "Ist etwas mit dem Kleid nicht in Ordnung? Wir haben eine Änderungsabteilung, die das für sie richten kann."

"Nein, mit dem Kleid ist alles in Ordnung", versetzte der Mann. "Aber niemand, der seinen Verstand beisammen hat, würde so viel Geld für ein Kleid ausgeben." Er sagte noch andere Dinge, die alle zur Einschüchterung bestimmt waren.

Ich nahm den Umtausch vor - ihr Kleid gegen ihr sorgsam gespartes Geld. Der Mann nahm "sein" Geld, schob es in seine Tasche und schnarrte: "Komm jetzt, wir gehen." Als sie das Geschäft verließen, ging er voraus.

Der Vorfall kam mir vor wie eine deplatzierte Szene in einem unlogischen Film. Irgendetwas war unvollständig, wie bei einem Puzzle, bei dem nur das letzte Stück fehlt; es war wie Hagel an einem heißen Sommertag, wie ein Weihnachtsbaum mit Sternenspitze, aber ohne Kerzen und Schmuck, oder als ob jemand zu einem formellen Bankett im Badeanzug erscheinen würde. In der kurzen Zeit, in der ich Molly geholfen hatte, hatte ich nur ihre Schönheit gesehen, ihr sanftes Wesen und ihren aufrichtigen Wunsch, ihrem Mann zu gefallen. Da ich sonst kaum etwas wusste, war ich einfach davon ausgegangen, dass der Empfänger dieser Liebe sich auf eine Weise verhalten würde, die diese Behandlung rechtfertigte, ja dass er die Geberin ähnlich behandeln würde.

Die Gedanken an diesen Vorfall quälten mich noch ein paar Tage lang. Alles erschien so abrupt, so ungerecht. Anfangs überlegte ich, wie ich mich fühlen würde, wenn mir so etwas passieren würde. Ich kam zu dem Schluss, dass ich im Leben nicht nur mein eigenes Geld verdienen, sondern auch meine eigenen Entscheidungen treffen würde.

Weil ich den Vorgang immer noch nicht vergessen konnte, fragte ich mich dann, ob dem Mann wohl klar war, wie sehr Molly über den Kauf nachgedacht hatte. Wenn er nur wüsste, wie viel Liebe in den Kauf eingeflossen war, hätte er sie das Kleid vielleicht behalten lassen, oder er wäre mit der Situation anders umgegangen - oder er hätte zumindest seine Frau anders behandelt.

In den folgenden Wochen sah ich, dass der Preis für das Kleid weiter heruntergesetzt wurde. Jedes Mal, wenn mein Blick zufällig darauf fiel, verspürte ich eine leichte Unruhe.

Als ich ein paar Tage später die Kontrollabschnitte der in unserer Abteilung zurückgegebenen Waren für die Buchhaltung alphabetisch sortierte, kam mir auch der Rückgabebeleg für Mollys Kleid unter. Als ob es irgendein Omen wäre, stach mir die Telefonnummer des Mannes in die Augen. Ich beschloss, dass das Risiko klein wäre, und rief den Mann an seinem Arbeitsplatz an.

"Sir", fing ich an, "ich hoffe, dass ich Sie nicht störe. Ich bin die Verkäuferin, die Sie und Ihre Frau bedient hat, als Sie das Kleid zurückgegeben haben, dass Ihre Frau gekauft hatte."

"Ja, ich erinnere mich an Sie", kam unwirsch die Antwort. "Was wollen Sie?"

"Es geht mich vielleicht nichts an", fuhr ich fort, "aber, na ja, Ihre Frau hat mich sehr stark beeindruckt, und ich dachte, Sie sollten wissen..." Am anderen Ende blieb es still, und also redete ich weiter," ...was für eine wirklich wunderschöne Frau sie ist, nicht nur vom Aussehen her, sondern wegen der Liebe und Hingabe, die sie Ihnen und Ihrem kleinen Sohn entgegenbringt. Ich habe gesehen, dass es Ihnen nicht gefallen hat, dass sie das Geld für das Kleid ausgegeben hat, aber Ihrer Frau erschien es so wichtig, für Sie schön auszusehen, damit Sie bei diesem Treffen stolz auf sie sein konnten, und sie war so froh darüber, dass der Preis erheblich gesenkt worden war." Ich holte tief Luft und fuhr fort: "Sie hat es wirklich im Gedanken an Sie gekauft, und jetzt ist das Kleid noch weiter heruntergesetzt worden. Kann sie es nicht haben?" Ich kam mir vor wie in einem Plädoyer.

Es schien mir so logisch und einfach. In einer letzten Bemühung, meine Botschaft deutlich zu machen, fügte ich hinzu: "Ich glaube, ich versuche etwas zu sagen, das mein Vater mich gelehrt hat, als er sagte: 'Es ist gut, die Dinge zu schätzen, die man mit Geld kaufen kann, aber es ist auch gut, ab und zu eine Überprüfung vorzunehmen und sicherzustellen, dass man nicht die guten Dinge im Leben verloren hat, die man mit Geld nicht kaufen kann.' "

Angesichts einer Stille, die ich dem Nachdenken zuschrieb, wuchs meine Hoffnung, aber die nachfolgende Antwort war niederschmetternd. "Sie haben Recht. Es geht sie nichts an. Und ich glaube, ich habe meine Absichten im Geschäft klar geäußert. Aber vielen Dank, dass Sie an uns gedacht hab en." Damit legte er auf. Kein "Auf Wiedersehen", nur das harte Klicken des Telefonhörers - unser Gespräch war beendet.

Nachdem ich derart scharf auf meinem Platz verwiesen worden war, fühlte ich mich abgekanzelt, wie ein ungezogenes Schulmädchen, das in einem Bekleidungsgeschäft jobbt. Aber diese Stimmung beherrschte mich nicht lange; ich hatte das Risiko vor meinem Anruf gekannt; ich hatte nur meine Gefühle geäußert. Ich wollte, dass er wusste, was ich von der Sache hielt. Er war der emotionale Analphabet, nicht ich. Die Sache war den Anruf wert gewesen - auch wenn ich wünschte, es wäre etwas anderes dabei herausgekommen.

Als ich ein paar Tage später wieder zur Arbeit kam, begrüßte mich ein Sträußchen weißer Gänseblümchen mit einer Karte, auf der stand: "Danke für Ihre Aufmerksamkeit." Die Karte war nicht unterschrieben.

"Wann ist das gekommen?", fragte ich Helen, meine Kollegin.
"Gestern", erwiderte sie.
"Hast du irgendeine Idee, von wem sie sein könnten?"
"Wir haben gedacht, du hättest einen geheimen Verehrer!"

Verwirrt ging ich an meine übliche Arbeit. Ich hängte gerade ein paar Kleidungsstücke zurück, als eine aufgeregte, vage vertraute Stimme sagte: "Ich hatte gehofft, Sie hier zu finden!"

"Oh, Molly, wie schön, Sie wieder zu sehen", lächelte ich überrascht. Warum hatte ich nicht zwei und zwei zusammengezählt? Natürlich waren die Gänseblümchen von ihr, ein Friedensangebot zum Ausgleich für die Grobheit ihres Mannes.

"Er hat es für mich gekauft!" platzte sie, offensichtlich überglücklich, fröhlich heraus. Sie zweifelte nicht im Geringsten daran, dass ich wusste, was "es" war.

Von ihren Worten angenehm überrascht, grinste ich nun genau wie sie von einem Ohr zum anderen. "Hey, ich freue mich so für Sie - das Kleid war wirklich wie für Sie gemacht!"

"Aber das ist noch nicht alles", fuhr sie fort und öffnete ihre Handtasche, um dort etwas herauszufischen, während sie weitersprach. "Eigentlich ist es noch nicht einmal das Beste. Ich musste es Ihnen einfach zeigen - sehen Sie sich das Briefchen an, das er hineingesteckt hat, bevor er es mir gab." Unbewusst hielt sie das Blatt Papier an ihr Herz, als ob es für sie etwas unendlich Kostbares wäre. Dann streckte sie es mir entgegen; offenbar wollte sie ihre Freude unbedingt mit jemandem teilen.

Weiterhin lächelnd angesichts ihres Glücks, faltete ich das Blatt vorsichtig auseinander und las in steiler Handschrift:

Liebling,
es tut mir Leid, dass ich durch den Stress bei der Arbeit und den Druck, gut für euch zu sorgen, aus den Augen verloren habe, wofür ich eigentlich arbeite. Ich bedaure auch, dass es so lange gedauert hat, bis ich erkannt habe, dass du dieses Kleid verdienst. Ich habe viel zu lange gebraucht, um viele Dinge zu erkennen - auch, wie wunderschön du aussehen wirst, wenn du es trägst. Und am wichtigsten ist, dass mir klar geworden ist, wie glücklich ich bin, dass ich dich und deine Liebe habe. Danke, dass du mich so liebst.
 Für immer dein
... 

Ich fühlte, dass sie mich beobachtete, als ich still die Zeilen las, und trotzdem standen ihr die Tränen in den Augen. Ganz sicher las sie mit ihrem Herzen mit, speicherte jedes Wort, prägte es für immer ihrer Seele ein. Ihr übervolles Herz rührte mich genauso wie die Demut und die Liebe, die aus den Worten dieses Briefchens sprachen.

"Das ist wundervoll, Molly", sagte ich und meinte es wirklich so.

"Das finde ich auch", antwortete sie. Ich musste es Ihnen einfach mitteilen. Oh, die hübschen Blümchen", bemerkte sie dann und blickte auf das Sträußchen neben der Kasse. "Sind die von Ihrem Freund?" Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort: "Wissen Sie, mein Mann hat mir gestern einen Strauß Rosen geschickt. Ach, ich liebe diesen Mann einfach."

Ich sagte nichts. Es schien weiser, ihr nicht zu erzählen, dass ich ihren Mann angerufen hatte und er mir die weißen Gänseblümchen geschickt hatte - als kleines Dankeschön für den Weckruf, der ihn daran erinnert hatte, dass er für sie etwas Besonderes war.

Herzen bei der Arbeit. Sind sie nicht erstaunlich? 
Bettie B. Youngs 
Entnommen aus: Gifts of the Heart

Aus: "Hühnersuppe für die Seele - Weitere Geschichten, die zu Herzen gehen"
Jack Canfield / Mark Hansen    
 
 

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