Samstag, 6. November 2010

Volker Pispers: Rechtsstaat




Transkript zur Sendung

Jetzt sagen Sie nicht, es ist schon wieder Dienstag.
Ist das nicht herrlich? Der Aufschwung ist im vollen Gange. Laut Wirtschaftsminister Brüderle sind wir auf der Schnellstrasse zur Vollbeschäftigung und diese Schnellstrasse wird jetzt geteert und gefedert von Bilfinger und Berger, die dafür extra Roland Koch als zusätzliche Arbeitskraft eingestellt und damit die Zahl der Arbeitslosen endgültig unter die magische Grenze von drei Millionen gedrückt haben. 

Früher galten Langzeitpolitiker auf dem Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar. Inzwischen hat die Wirtschaft aber erkannt, dass Kernkompetenzen wie Skrupellosigkeit, Lügen ohne rot zu werden und pragmatischer Opportunismus in Zeiten des Fachkräftemangels nicht ungenutzt bleiben dürfen. Die Firma Bilfinger und Berger, deren Chef Roland Koch jetzt werden soll, hat sich schließlich nicht zuletzt durch den U-Bahnbau in Köln einen Namen gemacht. Da muss man schon zugreifen, wenn ausnahmsweise mal ein Mann auf dem Markt ist, der den moralischen Ansprüchen des Gewerbes voll gewachsen ist. Und alle Unkenrufe, ob Roland Koch dieser Aufgabe überhaupt gewachsen ist, sollten bitte sofort verstummen. Der Mann ist studierter Jurist und Juristen können einfach alles. Jura, das ist der Tampon unter den Studiengängen. Sie kennen doch den Witz von dem Sechsjährigen, der sich zu Weihnachten OB-Tampons wünscht. Auf die Frage, was er denn damit will, sagte er: "Mit OB-Tampons kann man alles - Reiten, Radfahren, Schwimmen...", und genau so ist das mit Jura. Wer nicht weiß, was er werden soll, studiert Jura.
Damit kann man Minister werden, Vorstands- oder zumindest Personalchef, man kann in Behörden Karriere machen. Man kann bei Banken, Versicherungen oder Energiekonzernen arbeiten. Man kann sich im Prinzip bei allen mafiaähnlichen Organisationen und Institutionen nützlich machen, denn wir leben schließlich in einem Rechtsstaat. Und ein Jurist ist mehr oder weniger von Haus aus im Recht, denn er ist im Recht zu Hause.

Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zu geht, ist eine böse Unterstellung der Linken, die bekanntlich deshalb rot sind, weil sie soviel lügen. Was aber ein rechter Jurist ist, hat gelernt zu lügen ohne rot zu werden, deshalb ist er in der Regel ein Schwarzer. Und deshalb geht in diesem Land auch beim Linken alles mit rechten Dingen zu. Stuttgart 21, die Verlängerung der Restlaufzeiten für AKWs, die Bonuszahlungen für Pleitebanker, unser Verteidigungskrieg in Afghanistan, die statistische Verwandlung von arbeitslosen Hartz-IV-Empfängern, usw. usw.
Im Rechtsstaat heißt Recht haben nicht unbedingt Recht bekommen, denn wenn der Recht bekäme, der eh schon Recht hat, das wäre doch ungerecht.
Bis neulich

1 Kommentar:

  1. Yup, rechtsstaatliches von Pispers, hat immer was realstaatliches an sich. Immer wieder hörenswert.

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