Freitag, 29. April 2011

Worte für Jedermann mit der Kraft, die Nebelschleier vor dem Auge zu lüften


An die Nachgeborenen

I

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?

Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.)

Man sagt mir: Iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.

Ich wäre gerne auch weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

II

In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung
Als da Hunger herrschte.
Unter die Menschen kam ich zu der Zeit des Aufruhrs
Und ich empörte mich mit ihnen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten
Schlafen legte ich mich unter die Mörder
Der Liebe pflegte ich achtlos
Und die Natur sah ich ohne Geduld.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mich gegeben war.

Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit.
Die Sprache verriet mich dem Schlächter.
Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in großer Ferne
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.

III

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.

Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.

Dabei wissen wir doch:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.

Bertolt Brecht Werke: Gedichte 2. Vol. 12. Berlin: Aufbau-Verlag, 1988; pp. 85-7.
Quelle

Donnerstag, 28. April 2011

Leseempfehlung für visionäre Freidenker

Die größte Schwierigkeit Lösungen für anstehende Probleme zu finden ist, dass sie direkt vor unserem Auge liegen und immer unglaublich einfach sind. Dazu kommt, dass Probleme oft zerredet oder verkompliziert werden und sich dadurch eher verfestigen statt auflösen.

Vor einigen Tagen fand ich bei meinem Spaziergang durchs Internet eine Seite mit beachtenswerten, wenn auch ungewöhnlichen Denkansätzen, die so manche Entwicklung in unserer Welt erklären könnte? Aber lesen Sie selbst und machen Sie sich ein eigenes Bild. 

Paulinchen

Samstag, 23. April 2011

Der beste Lehrer meines Lebens

Eltern lernen von ihren Kindern sehr viel über die Bewältigung des Lebens.
Muriel Spark

Ich war seit fünfzehn Jahren Lehrerin, als ich meinem größten Lehrer begegnete - nicht in einem Klassenzimmer, sondern in einem Krankenhaus. Es war meine Tochter Kelsey.

Kelsey hatte von Geburt an eine spastische Lähmung infolge einer Hirnschädigung, und als sie fünf war, stand sie vor einer Schlacht gegen den Krebs, die sie später gewann. Sie hat mich viele anschauliche Lektionen über Mut und Entschlossenheit gelehrt, und letztendlich bin ich zu einem besseren Menschen geworden, weil sie mit mir so viel Geduld hatte.

Als sie vier war, wollte sie lernen, ihre Schuhe so zu binden wie ihre beste Freundin. Ich war sprachlos. Wegen der Lähmung konnte Kelsey die Finger ihrer linken Hand kaum gebrauchen. Ich brachte es selbst nicht fertig, mit einer Hand einen Knoten zu machen; wie sollte ich es da ihr beibringen?

Nachdem Kelsey dreieinhalb Jahre geübt hatte, schaffte sie es. Ich erinnere mich noch an jenen ersten Tag in den Sommerferien, als sie siebeneinhalb war und ich sie beobachtete und ermunterte. Als sie ihre Hand wegnahm und die zwei sauber geknoteten Schleifen zum Vorschein kamen strahlte sie von einem Ohr zum anderen, und ich weinte vor Freude. Niemand, hat sie je gefragt, wie alt sie war, als sie lernte, sich die Schuhe zu binden. Von ihrer Leistung habe ich etwas über Entschlossenheit gelernt - und vieles mehr. Schnelligkeit spielte in Kelseys Leben nicht die Hauptrolle - am wichtigsten war, dass sie ihre Ziele in ihrem eigenen Tempo erreichte.

Während ihrer ganzen Krebsbehandlung meisterte Kelsey ihr Leben, indem sie kreativ spielte. Im Krankenhaus hieß das Spiel immer "Restaurant" - sie war die Kellnerin, alle anderen die Kunden. Endlose Stunden verlor sie sich in diesem Spiel, als wäre sie gar nicht im Krankenhaus, sondern draußen in der Welt, weit weg von Ärzten und Untersuchungen; Kelsey war sicher, dass sie eines Tages zu dieser Welt gehören würde.

Zu Hause, wo sie offenbar mehr Sicherheit für die Beschäftigung mit tiefer gehenden Gefühlen fand, wurde das Spiel zu "Krankenhaus". In diesem Spiel war Kelsey der leitende Arzt, der die Dinge zum Besseren wendete. Sie gebrauchte in diesem Spiel medizinische Begriffe, die noch nicht einmal wir Erwachsenen verstanden. Wir spielten einfach mit, froh darüber, dass Kelsey einen Weg gefunden hatte, mit ihrer Situation zurechtzukommen.

Als sie sechs war, wollte sie Ballettunterricht nehmen. Es ist mir peinlich zuzugeben, wie sehr dieser Einfall mich erschreckte. Ihre Muskeln waren wegen der Chemotherapie ziemlich schwach, ihr Gleichgewichtssinn war schlecht, und ihr Gewicht war auf siebzehn Kilo heruntergegangen. Ich hatte nicht nur Angst um ihren Körper, sondern auch um ihre Gefühle. Sie hatte in dieser Hinsicht keine Angst. Weil sie eine Augenbinde trug, fürchtete ich, der Rest der Ballettklasse würde sich über sie lustig machen. Aber ich wusste nicht, wie ich Kelsey all das sagen sollte, und sie würde sowieso keine Ruhe geben; also meldete ich sie in einer Balettschule an.

Kelsey tanzte mit Hingabe! Fiel sie hin? Natürlich. War sie unbeholfen? Sehr. Aber sie war nie befangen oder gehemmt, sie stürzte sich voll in die Sache hinein und war völlig unbeeindruckt von dem, was sie nicht konnte. Die bloße Freude am Tanzen war genug. Jeder, der Kelsey tanzen sah, ging mit etwas Besonderem weg. Sie tanzte vier Jahre lang. Sie hörte nur auf, um zu verkünden, dass sie stattdessen lieber Reitunterricht nehmen würde Diesmal meldete ich sie an, ohne zu zögern.

In der fünften Klasse brachte Kelsey aufgeregt ein Anmeldeformular für Hallen-Basketball mit nach Hause. Das war für sie wirklich eine ziemliche Herausforderung. Sie konnte nur langsam laufen, sie war klein, und sie konnte immer noch lediglich eine Hand benutzen. Wieder läuteten in meinem Kopf alle Alarmglocken, aber ich hatte gelernt, sie zu ignorieren. Die Begeisterung in ihren Augen glich ganz entschieden alle Hindernisse aus, und wir meldeten sie an.

Nach dem ersten Training meinte der Trainer, er habe Angst, sie in einem Spiel einzusetzen. Als er erklärte, wie sie sich verletzen konnte, sah ich schon die Gerichtsprozesse, die in seinem Kopf herumschwirrten. Ich versuchte ihn mit dem Hinweis zu überzeugen, dass jedes Kind, das Sport treibt, Risiken eingeht, und selbst wenn das Risiko bei ihr vielleicht größer war, wurde es doch von ihrem Bedürfnis übertroffen, dazuzugehören. Nach ein paar Diskussionen und weiterem guten Zureden beschoss er, sie spielen zu lassen.

Zwei Jahre lang strengte Kelsey sich mehr an als alle anderen Mädchen in der Liga. Und obwohl sie bei einem Spiel nie einen Treffer machte, brachte sie andere Talente mit, die für ihre Mannschaft noch wertvoller waren. Im Verlauf der zwei Jahre habe ich keine einzige Spielerin gesehen, die sie als etwas anders als einen Gewinn behandelte. Und als Kelsey nach wochenlangem Üben bei einem Trainig schließlich ihren ersten Treffer landete, blieben alle Mädchen auf dem Spielfeld - von beiden Manschafften - stehen und applaudierten.

Wenn wir an Spieltagen am Lebensmittelladen stoppten, zog Kelsey schnell ihren Wintermantel aus und warf ihn in den Einkaufswagen. Es dauerte eine Weile, bis ich den Grund dafür begriff. Sie war so stolz auf ihr Trikot, dass sie nicht wollte, dass es unbemerkt blieb. Jetzt hatte sie nicht mehr nur ihre persönlichen Triumphe, sie gehörte außerdem zu einem Team.

Heute ist Kelsey ein glückliches, gesundes Mädchen in der siebten Klasse; immer noch nimmt sie das Leben begierig in sich auf, versucht sich an neuen Herausforderungen und bringt ihren Freunden und ihren Eltern weiterhin viel über Ausdauer, die Kraft des Glaubens und Mitgefühl bei.

Ich werde nie einen größeren Lehrer haben als dich Kelsey.
Dauna Easley

Aus: "Noch mehr Hühnersüppchen für die Seele"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Mittwoch, 20. April 2011

Die perfiden Machenschaften diverser Konglomerate

Der Beitrag "Die Tricks der Pharmaindustrie" in der Sendung "Frontal 21", vom 19.04.2011, zeigt ein Mal mehr, dass unser Gesundheitssystem in Wahrheit ein KRANKHEITSSYSTEM ist. Immer neue Möglichkeiten werden installiert, um aus den Kranken so viel Profit wie möglich zu schlagen. Grenzenlose Angst sowie Ignoranz hindert die Mehrheit der Menschen daran sich aus der Umklammerung dieses für alle ungesunden Systems zu befreien und endlich wirklich eigenverantwortlich zu handeln.

Die nachfolgenden Links führen zu den im Beitrag genannten Firmen. Ein genauer Blick hinter die Fasade lohnt sich allemal.

I3G GmbH

Janssen Cilag

Johnson & Johnson

Care4S

Turgot Ventures


Paulinchen

Donnerstag, 14. April 2011

Die wahre Geschichte von Arbutus und Seemöwe

Meine Großmutter hatte eine Feindin: Mrs. Wilcox. Gleich nach ihrer Hochzeit wurden die beiden Nachbarninnen, und für den Rest ihres Lebens wohnten sie Tür an Tür in der verschlafenen, von Ulmen gesäumten Hauptstraße der kleinen Stadt. Ich weiß nicht, was der Auslöser für ihren Krieg war - das war lange vor meiner Zeit -, und ich bezweifle, dass sie sich selbst noch daran erinnern konnte, als ich über dreißig Jahre später geboren wurde. Dennoch fochten sie ihn verbissen weiter aus.

Täuschen Sie sich nicht. Es handelte sich hier nicht um bloßes Geplänkel. Es war ein Krieg zwischen Frauen - das heißt der totale Krieg. Nichts in der Stadt blieb davon verschont. Die dreihundert Jahre alte Kirche, die die Revolution, den Bürgerkrieg und den spanisch-amerikanischen Krieg überdauert hatte, fiel beinahe in Trümmer, als Großmutter und Mrs. Wilcox in die Schlacht um den Frauenwohlfahrtsclub zogen. Großmutter ging zwar siegreich daraus hervor, doch wirkliche Genugtuung brachte ihr das nicht. Nachdem Mrs. Wilcox die Präsidentschaft verwehrt blieb, zog sie sich mit Knall auf Fall aus dem Club zurück. Und was ist schon Tolles daran, einen Verein zu leiten, wenn man dabei die Todfeindin nicht zu Kreuze kriechen lassen kann?

Die Schlacht um die öffentliche Bücherei konnte Mrs. Wilcox für sich entscheiden. Ihre Nichte Gertrude wurde anstelle meiner Tante Phyllis zur Bibliothekarin ernannt. An dem Tag, an dem Gertrude ihre Stelle antrat, hörte meine Großmutter auf, Bücher aus der Bibliothek zu leihen - sie waren über Nacht zu "dreckigen Bakterienherden" geworden. Fortan kaufte sie sich ihren Lesestoff in der Buchhandlung.

Die Schlacht um die High School endete unentschieden. Dem Direktor wurde eine bessere Stelle angeboten; er ging fort, noch bevor Mrs. Wilcox seine Entlassung oder Großmutter seine Bestellung auf Lebenszeit durchsetzen konnte.

Neben diesen großen Gefechten fand ein permanenter Schlagabtausch auf diversen Nebenschauplätzen statt. Wenn wir Kinder unsere Großmutter besuchten, bestand eines unserer größten Vergnügen darin, den unmöglichen Enkelkindern von Mrs. Wilcox - heute weiß ich, dass sie in etwa so unmöglich waren wie wir - Grimassen zu schneiden und Trauben von der Wilcoxschen Seite des Gartenzauns zu klauen. Außderdem jagten wir die Hühner von Mrs. Wilcox und legten Knallfrösche, die wir von den Feierlichkeiten zum 4. Juli aufbewahrt hatten, auf die Straßenbahnschienen, die direkt vor Mrs. Wilcox Haus vorbeiführten, in der vergnüglichen Hoffnung, dass die nächste Bahn darüber fahren und Mrs. Wilcox durch die dabei ausgelöste - und natürlich völlig harmose - Explosion vor Schreck halb in Ohnmacht fallen würde.

Eines schönen Tages verfrachteten wir eine Schlange in die Wilcoxsche Regentonne. Meine Großmutter legte zwar formellen Protest ein, doch wir hörten ihr sillschweigendes Einverständnis heraus, das so ganz anders klang als das, was in dem strikten Nein meiner Mutter mitschwang, und so reihten wir fröhlich eine Biestigkeit an die andere. Wenn eines meiner Kinder ... doch das ist eine andere Geschichte.

Aber glauben Sie bloß nicht, dass es sich da um eine einseitige Angelegenheit handelte. Vergessen Sie nicht, dass auch Mrs. Wilcox Enkelkinder hatte. Zudem waren sie zahlreicher, dreister und cleverer als wir. Meine Großmutter kam also keinesfalls ungeschoren davon. In ihren Kelller wurden Stinktiere geschmuggelt. An Halloween flog alles, was nicht niet- und nagelfest war, wie beispielsweise die Gartenmöbel, auf wundersame Weise auf den Giebel der Scheune, und es mussten mehrere kräftige Männer engagiert werden, die die Sachen zu Wucherlöhnen wieder herunterholten.

Kein windiger Waschtag verging, ohne dass die Wäscheleine auf mysteriöse Weise riss, sodass die Laken im Dreck lagen und noch einmal gewaschen werden mussten. Wenn einige dieser Vorfälle vielleicht auch auf höhere Gewalt zurückzuführen waren - sie wurden immer Mrs. Wilcox´Enkel in die Schuhe geschoben.

Ich weiß nicht, wie meine Großmutter solche Plagen hätte aushalten können, wäre da nicht die Hausfrauenseite der Bostoner Tageszeitung gewesen. Die war wirklich unübertrefflich. Neben den üblichen Kochrezepten und Putztipps gab es darin nämlich eine Sparte, in der die Leserinnen in aller Öffentlichkeit einen brieflichen Austausch miteinander pflegen konnten. Das funktionierte so, dass jemand, der ein Problem hatte - oder auch nur Dampf ablassen wollte -, unter einem selbst gewählten Namen wie etwa Arbutus an die Zeitung schrieb. Arbutus war das Pseudonym meiner Großmutter. Daraufhin schrieben andere Leserinnen, die das gleiche Problem hatten, zurück und berichteten, was sie selbst in der Sache unternommen hatten. Sie unterzeichneten ihre Briefe mit "Jemand, der Bescheid weiß" oder "Xanthippe" oder wie auch immer. In vielen Fällen wurde der Briefwechsel fortgesetzt, nachdem das eigentliche Problem längst aus der Welt geschafft war, und die Damen tauschten in der Zeitungspalte Neuigkeiten über ihre Kinder, das Einkochen oder ihre neue Esszimmergarnitur aus.

Das geschah auch im Fall meiner Großmutter. Sie korrespondierte ein Vierteljahrhundert lang mit einer Frau namens Seemöwe und tauschte mit ihr Dinge aus, die sie sonst nie einer Menschenseele verraten hätte - so erzählte sie zum Beispiel davon, wie sie einmal gehofft hatte, wieder schwanger zu sein, es aber dann doch nicht war, oder davon, wie mein Onkel Steve mit Sie-wissen-schon-was im Haar aus der Schule heimkam und als welche Schande sie das empfunden hatte, obwohl sie die Dinger losgeworden war, noch bevor irgendjemand in der Stadt auch nur den leisesten Verdacht geschöpft hatte. Seemöwe war die Busenfreundin meiner Großmutter.

Als ich etwa sechzehn Jahre alt war, starb Mrs. Wilcox. In einer kleinen Stadt wie der unseren ist es in einem solchen Fall üblich, bei den Nachbarn vorbeizuschauen und zu fragen, ob man ihnen helfen könne, auch wenn man sie noch so sehr gehasst hatte.

Eine adrette Küchenschürze umgebunden, die zeigen sollte, dass sie ihr Angebot zu helfen durchaus ernst meinte, schritt meine Großmutter über die beiden Rasenflächen zum Nachbarhaus, und die Tochter von Mrs. Wilcox teilte sie im Hinblick auf die Beerdigung zum Putzen des ohnehin maklellosen Empfangszimmers ein. Und da, mitten auf dem Tisch der guten Stube, lag ein großes, dickes Heft, in dem fein säuberlich nebeneinander ihre Briefe an Seemöwe und Seemöwes Briefe an sie eingeklebt waren. Die allergrößte Feindin meiner Großmutter war gleichzeitig ihre allerbeste Freundin gewesen.

Das war das einzige Mal, dass ich meine Großmutter Tränen vergießen sah. Ich wusste damals nicht genau, warum sie eigentlich weinte, aber inzwischen weiß ich es. Sie weinte um all die vergeudeten Jahre, die sie nicht mehr zurückholen konnte. Damals beeindruckten mich nur die Tränen, und ihretwegen erinnere ich mich an jenen Tag, an dem es wahrlich Wichtigeres zu erinnern gegeben hätte als die Tränen einer Frau. An jenem Tag dämmerte mir zum ersten Mal, wovon ich inzwischen aus ganzem Herzen überzeugt bin, und wenn ich es irgendwann einmal nicht mehr glauben sollte, dann will ich nicht mehr leben. Und das ist Folgendes:

Ein Mensch mag absolut unmöglich erscheinen. Er mag einem gemein, kleinlich und verlogen vorkommen. Aber wenn du zehn Schritte nach links machst und ihn dir noch einmal aus einem anderen Blickwinkel ansiehst, dann entdeckst du ganz sicher, wie großzügig, warmherzig und liebevoll er ist. Es hängt alles nur von dem Standpunkt ab, von dem aus du ihn betrachtest.
Louise Dickinson Rich

Aus: "Hühnersüppchen für die Seele"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Sonntag, 10. April 2011

Erschlossenes Land





Durch die stürmenden Nächte, von den Wogen gehoben,
sind wir angespült an einen menschenleeren Strand,
im verlassensten Winkel der Welt, und alles,
was wir sehen, ist -

Durch die Mühen der Ebenen und Schründe der Berge stehen wir
schweißbedeckt und von der Sonne verbrannt,
blicken über Hügel und Wälder, und alles, was wir sehen, ist -
erschlossenes Land, erschlossenes Land.

Nach vielen Jahren im Labor an seiner Bank
nimmt der Neurobiologe die Kulturen aus dem Schrank,
und er sieht im Mikroskop die Strukturen, die er fand,
physiologisch und logisch und längst -
erschlossenes Land, erschlossenes Land.

Die Erde ist eine Scheibe und bis zu ihrem Rand -
erschlossenes Land.

Vor der großen Premiere eines jungen Stars
wird heftig diskutiert in den Feuilletons und Bars,
Kritiker und Publikum warten gespannt und betreten betreten -
erschlossenes Land, erschlossenes Land.

Die Erde ist eine Scheibe und bis zu ihrem Rand -
erschlossenes Land.

Der Fluß steht einen Meter überm Ufer, und es regnet immer weiter,
und die Deiche weichen auf.
Das Wasser schwappt durch Fenster auf Balkone,
und es klettert auf den Straßen bis zum höchsten Platz der Stadt hinauf.
Es trägt die Autos fort, egal ob Benz oder Trabant.
Ich hör das Wasser flüstern, hörst Du's auch?
Es spricht von -
erschlossenem Land, erschlossenem Land.

Die Erde ist eine Scheibe und bis zu ihrem Rand -
erschlossenes Land.

Wir sind durch die Institutionen marschiert
und hatten das Kommunenleben ausprobiert.
Seit damals ist viel passiert und hat doch nicht zum Frieden auf der Welt geführt.
Jetzt sitzt Du im Büro, sagst, es ist, wie es ist,
man wird Kapitalist. Du bist, woran Du Dich mißt.
Du stecktst genau da, wo Du bist, den Kopf in den Sand,
und dann ist alles, was Du siehst -
erschlossenes Land, erschlossenes Land.

Der Kopf ist ein Gefängnis,
wenn man glaubt, man sieht die Wand.
Quelle

Freitag, 8. April 2011

Umwerfend bezaubernd sein

Mein Dad sagt, ich sei umwerfend bezaubernd. Ich frage mich, ob ich das wirklich bin. 
Umwerfend bezaubernd sein... Sahra sagt, dazu muss man schöne lange lockige Haare haben, so wie sie. Die habe ich nicht. 
Umwerfend bezaubernd sein... Justin sagt, dazu muss man vollkommen gerade, weiße Zähne haben, so wie er. Die habe ich nicht. 
Umwerfend bezaubernd sein... Jessica sagt, man darf keine von diesen kleinen braunen Punkten im Gesicht haben, die Sommersprossen genannt werden. Die habe ich. 
Umwerfend bezauberd sein... Mark sagt, dazu muss man in der siebten Klasse der Beste sein. Das bin ich nicht. 
Umwerfend bezaubernd sein... Stehpen sagt, du musst in der Schule die lustigsten Witze erzählen können. Das kann ich nicht. 
Umwerfend bezaubernd sein... Lauren sagt, dazu muss man in dem schönsten Stadtteil und in dem schönsten Haus der Stadt wohnen. Das tue ich nicht.
Umwerfend bezaubernd sein... Matthew sagt, man darf nur die coolsten Klamotten und die modernsten Schuhe tragen. Das tue ich nicht. 
Umwerfend bezaubernd sein... Samantha sagt, dazu musst du aus einer vollkommenen Familie kommen. Das tue ich nicht.

Doch jeden Abend, wenn es Zeit zum Schlafengehen ist, umarmt mich mein Dad und sagt: "Du bist umwerfend bezaubernd, und ich liebe dich."
Mein Dad weiß sicherlich etwas, das meine Freunde nicht wissen.
Carla O'Brien

Aus: "Hühnersuppe für die Seele - für Kinder"
Jack Canfield / Mark Victor Hansen

Donnerstag, 7. April 2011

Buchempfehlung

Das Buch "Auf die faule Haut", von Roberto J. De Lapuente, bietet dem unvoreingenommenen Leser auf 157 Seiten die Möglichkeit, den oftmals durch Manipulation vergifteten Verstand zu entgiften. Die Texte sind reich an Denkanstößen, ohne den oft so üblichen moralischen Zeigefinger, was bei Lesern, die vorwiegend nach Handlungsvorgaben Ausschau halten, zu Irritationen führen könnte. Im Essay "Worte" - die Perle des Buches - widmet sich der Autor den perfiden Techniken, Sprache zur Spaltung der Menschen einzusetzen.

"Auf die faule Haut" - ein Lesestoff für alle, die sich dem friedlichen Miteinander verpflichtet fühlen.

Paulinchen

Mittwoch, 6. April 2011

Neues von Rainer Weigt

Maigedanken

Der 1. Mai in jedem Land,
als Kampftag war er wohlbekannt.
Für gute Arbeit, guten Lohn,
kämpften unsre Ahnen schon.

Heut feiern wir mit Steak und Bier,
das Resultat, das kennen wir.
Mit Dumpinglohn und Zeitarbeit
macht sich prekäres Leben breit.

Kein Geld für gute Zukunft unsrer Jugend,
doch Rettungsschirme preist man an als Tugend.
Auch die Alten haben nichts zu loben,
der Rentenbeginn   der wird verschoben.

Gesundheitskosten steigen immer mehr,
das lobt die Pharma Lobby sehr.
Dank Rösler steigen die Profite weiter,
Zusatzbeiträge für Patienten   leider.

Atomkonsens da stieg man aus,
für unsre Enkel wird's ein Graus.
Wenn Schwarz-Gelb, nach Japan anders spricht,
den Lügnern glaubt man besser nicht.

In Afghanistan und andern Kriegen,
verspricht man immer noch zu siegen.
Eine Terrormeldung die andre hetzt,
drum brauchen alle   Frieden   jetzt.

Wenn mancher auch noch anders denkt,
man kriegt im Leben nichts geschenkt.
Jeder muss sich täglich selbst einbringen,
um gutes Leben für alle zu erringen.

Rainer Weigt  03.04.11  Tel. 01701515677