Sonntag, 29. November 2009

Lob der Volksvertreter

Mann hält sie, wenn sie schweigen, für Gelehrte.
Nur ist das Schweigen gar nicht ihre Art.
Sie haben vor der Brust Apostelbärte
und auf den Eisenbahnen freie Fahrt.

Ihr seht sie eilends in den Reichstag schreiten.
Das Wohl des Volkes fördert ihren Gang.
Und würdet Ihr sie noch ein Stück begleiten,
dann merktet Ihr: sie gehn ins Restaurant.

Sie fürchten Spott, sonst nichts auf dieser Welt!
Und wenn sie etwas tun, dann sind es Fehler.
Es ist, zum Glück, nicht alles Hund, was bellt.
Sie fürchten nur die Wahl und nicht die Wähler.

Ihr Leben währet zirka siebzig Jahre,
und wenn es hochkommt -. Doch das tut es nie!
Das Volk steht auf vor jedem grauen Haare.
Das Volk steht immer auf! Das wissen sie.

Erich Kästner, aus "Lärm im Spiegel"

Samstag, 28. November 2009

Zeitgenossen, haufenweise

Es ist nicht leicht, sie ohne Haß zu schildern,
und ganz unmöglich geht es ohne Hohn.
Sie haben Köpfe wie auf Abziehbildern
und, wo das Herz sein müsste, Telefon.

Sie wissen ganz genau, dass Kreise rund sind
und Invalidenbeine nur aus Holz.
Sie sprechen fließend, und aus diesem Grund sind
sie Tag und Nacht - auch sonntags - auf sich stolz.

In ihren Händen wird aus allem Ware.
In ihrer Seele brennt elektrisch Licht.
Sie messen auch das Unberechenbare.
Was sich nicht zählen läßt, das gibt es nicht!

Sie haben am Gehirn enorme Schwielen,
fast als benutzten sie es als Gesäß.
Sie werden rot, wenn sie mit Kindern spielen.
Die Liebe treiben sie programmgemäß.

Sie singen nie (nicht einmal im August)
ein hübsches Weihnachtslied auf offner Straße.
Sie sind nie froh und haben immer Lust
und denken, wenn sie denken, durch die Nase.

Sie loben unermüdlich unsre Zeit,
ganz als erhielten sie von ihr Tantiemen.
Ihr Intellekt liegt meistens doppelt breit.
Sie können sich nur noch zum Scheine schämen.

Sie haben Witz und können ihn nicht halten.
Sie wissen vieles, was sie nicht verstehn.
Man muss sie sehen, wenn sie Haare spalten!
Es ist, um an den Wänden hochzugehn.

Man sollte kleine Löcher in sie schießen!
Ihr letzter Schrei ist fast ein dernier cri.
Jedoch sie haben viel zuviel Komplicen,
als dass sie sich von uns erschießen ließen.
Man trifft sie nie.

Erich Kästner, aus "Lärm im Spiegel"

Mittwoch, 25. November 2009

Rätsel

Wie jedes Jahr kommt Tante Sophie am ersten Advent zu Besuch - da freuen sich die vier Kinder. Sie wissen, dass die Tante die schönsten Plätzchen backt. Und spannend ist es auch, denn Sophie denkt sich immer Überraschungen aus.
Diesmal hat die Tante vierzig herrlich duftende Mandelkekse gebacken. Einen legt sie beiseite, den möchte sie selber haben. Die übrigen 39 gibt sie den Kindern. "Aber", sagt sie, "ihr müsst sie teilen, und zwar so, dass Peter die Hälfte bekommt, Klara ein Viertel, Klaus ein Achtel und Suse ein Zehntel. Nur: zerbrechen dürft ihr die Kekse nicht!"
Lächelnd verlässt Sophie den Raum.
Nach einer Weile hört sie ein fürchterliches Zanken und Schreien - die vier Kinder können sich nicht einigen. "Schon die Hälfte von 39, das geht ja gar nicht", maulen sie, "und wie soll man diese Anzahl vierteln, achteln oder zehnteln, ohne die Kekse zu zerbrechen!"
Tante Sophie konnte dennoch Frieden stiften, so dass jedes der Kinder den Anteil bekam, den sie zuvor gesagt hatte. Wie gelang es ihr? Und wie viele ganze Kekse bekam jedes Kind?

Montag, 23. November 2009

Schlimme Zeiten

Schrecklich, schrecklich
wie sich damals
die Menschen verhielten
schlimme Zeiten
warn das
vor 150 Jahren ...
sagte der Vater
als sein Sohn ihn fragte
was er denn halte
von der Geschichte
mit diesem
Kaspar Hauser
dem rätselhaften
Findling
der aus dem Wald kam
den die Leute
erschlugen
weil er
so anders war.

Dann schrieb er weiter
seinen Beschwerdebrief
an Neckermann-Reisen
betreffend den Umstand
dass im Ferienhotel
direkt nebenan
eine Familie
gehaust habe
mit einem
geistig behinderten Kind.

Entnommen aus: "Hand aufs Hirn" von Jörn Pfennig

Sonntag, 22. November 2009

Bonmot

"Das einmalige an einer Freundschaft ist weder die Hand, die sich dir entgegenstreckt, noch das freundliche Lächeln oder die angenehme Gesellschaft. Das einmalige an ihr ist die geistige Inspiration, die man erhält, wenn man merkt, dass jemand an einen glaubt.
Ralf Waldo Emerson

Donnerstag, 19. November 2009

... genau so ist es

Treffen sich ein Wolf, ein Löwe und ein Schwein.
Sagt der Wolf: "Also wenn ich heule, hat der ganze Wald Angst."
Der Löwe hält dagegen: "Wenn ich brülle, erzittert die ganze Savanne."
Meldet sich das Schwein und sagt: "Und wenn ich huste, scheißt sich der ganze Planet in die Hose."

Reimbibel zum Dritten

Gott vertreibt Adam und Eva aus dem Paradies
(1. Buch Mose, Kap. 3)

Naschverbot im Himmelsgarten?
Eher nicht, was wir erwarten.
Eva war es etwas bange,
doch dann sprach zu ihr die Schlange:

"Sterben wirst du dadurch nicht."
Weiter dann die Schlange spricht:
"Diese Frucht ist wirklich heiß,
wissen wirst du, was Gott weiß"

Eva aß, danach ihr Mann.
Adam sah sich die Eva an,
dachte sich : "Mein Gott, wie böse,
Eva hat ja eine Möse".

Adam zierte Sack und Glied.
Eva sah den Unterschied,
machte ihm 'ne Feigenhose.
(Diagnose: Sexneurose.)

Haben sich dann schnell versteckt,
dass der Herr sie nicht entdeckt.
Doch im Fall des Sündenfalles
checkte Jahwe sofort alles:

"Sag mir, Adam, wo du bist!
Warum hast du dich verpisst?"
(Logisch ist die Frage Mist.
weil der Herr allwissend ist.)
Adam drauf: "Ich bin ganz nackt,
darum hat mich Furcht gepackt."

"Wer hat dir das denn gesagt?",
hat der Herr zurückgefragt.
"Hast du von dem Baum genommen,
soll mein Zorn dich überkommen!"

"Herr, verschone meinen Leib,
diese Frucht gab mir das Weib."
Jahwe sprach drum Eva an:
"Warum hast du das getan?"

Eva sprach: "Ich ward betrogen,
denn die Schlange hat gelogen."
Jahwe sprach direktemange
diese Worte zu der Schlange:

"Weil du Böses hast getan,
fresse Erde nun fortan.
Menschen sollst du giftig stechen.
strafen sie für ihr Verbrechen."

Und zu Eva sprach er dann:
"Dein Verlangen sei der Mann.
Schwanger werde und beim Kreißen
soll es dir den Leib zerreißen."

Und zu Adam sprach er schließlich:
"Deine Tat stimmt mich verdrießlich.
Folgtest deines Weibes Rat,
strafen will ich deine Tat.

Ich verfluche deinen Acker,
also gehe hin und racker
dich auf deinen Feldern ab,
bis zu Staub du wirst im Grab."

Jahwe wurde richtig fies:
"Raus aus meinem Paradies!
Fortan sei die Sünde erblich,
fortan seien Menschen sterblich!"

Trotz des Herren strenger Mahnung:
beide hatten keine Ahnung.
Wußten nicht, was bös und gut,
was man lässt, und was man tut.

Wegen einer Schlangenlist
wurde Gott zum Exorzist.
Und so weiß heut' jeder Christ,
dass der Schöpfer reizbar ist.

Theologen von Beruf
rätseln, wer das Böse schuf.
Dafür gibt es viele Taler
vom normalen Steuerzahler.

Kirchensteuer außerdem,
denn zentral ist das Problem.
Einig sind sich sich schon lange:
Satan sprach aus dieser Schlange.

Gott war's nicht, so viel steht fest,
der hasst Böses wie die Pest.
Doch es bleiben arge Zweifel:
wer zum Teufel schuf den Teufel?

Ganz moderne Theologen
haben deshalb schon erwogen,
dass der böse Antichrist
Teil des lieben Gottes ist.

Denn aus Güte schuf Gott kaum
den verfluchten Früchtebaum
und der schwachen Menschen Sucht
nach dem Fleisch der süßen Frucht.

Aus der Reimbibel von W. Klosterhalfen, http://www.reimbibel.de/

"Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt." (Jesaja 45,7)

Die perfide Grund- und Geschäftsidee des sexualfeindlichen Christentums ist die dreiste und absurde Behauptung einer "Erbsünde". Für das "Sündigen" hätten sich Eva und Adam "frei" entschieden. Gott strafe deshalb bis heute Christen, Atheisten, Buddhisten usw. sowie deren Kinder durch Katastrophen, Krankheit, Hunger und Tod. Laut einer Umfrage des Religionssoziologen Klaus-Peter Jörns (1996) glauben jedoch nur noch 13% der befragten evangelischen Pfarrer an die Erbsünde. Demnach hätte sich Jesus ohne Grund opfern lassen.

Menschen haben oft das Gefühl, frei entscheiden zu können. Tatsächlich sind Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen jedoch nie frei von Ursachen. Auch wenn diese uns oft nicht bewusst sind. Der "freie" Wille existiert nur in vielen menschlichen Gehirnen als Illusion. Ethik und anständiges Verhalten gibt es auch ohne diesen Irrtum.

"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will." Athur Schopenhauer, dt. Philosoph (1788 - 1860)

Denk drüber nach in aller Stille,
wovon er frei, der "freie" Wille.

www.giordano-bruno-stiftung.de/Archiv/realfreih.pdf

"Theologie ist die Kunst, Dinge zu beweisen, die es nicht gibt und die Keiner wirklich braucht." Bernd Vowinkel, dt. Physiker

Das Christentum und die vielen anderen religiösen Unterdrückungs- und Ausbeutungssysteme sind die eigentliche Erbsünde, die Menschen immer noch auf nachfolgende Generationen übertragen. Die Methode, Menschen Schuldgefühle einzureden und ihnen dann vorzumachen, man könne sie vor einer ewigen göttlichen Bestrafung schützen, bringt den Kirchen seit Jahrhunderten viel Geld. Die 27 Bistümer der katholischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 2008 Kirchensteuern in Höhe von 5.066.000.000 Euro eingenommen. Kein Wunder, dass die großen Kirchen auf antiklerikale Kritik allergisch reagieren. S. auch: http://www.kirchensteuer.de/

Sonntag, 15. November 2009

Anders als die Anderen

Was hast Du eigentlich Dir vorgestellt?
Hast Du Dein Leben bis zum Schluss gedacht?
Wie hast Du Dir den letzten Kuß gedacht?
Und was ist das Ergebnis? Und wer bezahlt's Begräbnis?

Der Mensch ist wie der Ochs vors Tor gestellt.
Man braucht nur täglich in den Spiegel sehn,
Und kann am Tor den schweren Riegel sehn.
Die Fragen frag der Lehrer, die Antworten sind schwerer.
Erst wir ha'ms Leben völlig umgestellt.
(Das war sehr leicht, wir ha'm uns nämlich dumm gestellt.)
Die Fragen ignoriern wir, die Antworten soufflieren wir,
Und wer was andres will, den exportieren wir!

Wenn man immer was andres will als die andern,
Als Chamäleon lebt, bei den Salamandern,
Ist man nirgends zu Haus, und der Atem geht aus,
Weil ein hinderlicher Held dieser dummen Welt
Erst nach seinem Tode gefällt.

Wenn man immer was andres spricht als die Blöden,
Ja, wie solln denn die Blöden mit Dir reden?
Und die Majorität ist auf jeden Fall blöd,
Weil ein Blöder nichts riskiert, weil er nichts verliert,
Und er wird von allen kopiert.

Unser Dasein ist einfach ein Stammtisch:
Wer Ideen hat, der kommt nicht dran,
Doch wer einmal dort war, der darf zweimal im Jahr
Obendrein patriotisch sein!

Nur wer immer was andres will als Patrioten,
Dem wird jeglicher Ernst des Lebens verboten.
Der wird seitwärts gedreht, kriegt kein Weihnachtspaket,
Nur ein Ehrendoktorat einer kleinen Universität.

Darf ich etwas fragen? - Nein, wer fragt, benützt sein Hirn.
Darf ich etwas sagen? Höchstens "Himmel, Arsch und Zwirn"!
Darf ich etwas denken? - Ja, Gedanken sind ja frei,
Also denk' nur - aber halt den Mund dabei.

Darf ich was erneuern? - Nur die Dinge die's schon gab.
Darf ich was erhoffen? - Von der Wiege bis zum Grab.
Darf ich mir was wünschen - Es ist besser, Du kaufst ein:
Wer sich wünscht, was nicht zu kaufen ist, muß niederträchtig sein.
Das ist nicht mein Gesetz, doch ich denke, ich hätt's
Ganz genauso erlassen wie Die.
Es ist nicht mein Gesetz, aber glaub mir, ich schätz
Unsere herrliche Demokratie.

Nur wer immer was andres will als die Andern,
Muß natürlich sein Bündel schnüren und wandern.
Doch wir sind nicht so roh, wir helfen ihm packen und so,
Und wir tragen sein Gepäck, winken bis zum Eck,
Lassen seine Frau mit ihm weg.

Aber was sind die positiven Programme?
Dass wir allesamt Brüder sind, möglichst stramme.
Immer mehr unter uns, immer mehr Hinz und Kunz,
Das ist leichter für den Staat, für den Magister, und den Polizeiapparat.

Aber irgendwer muss doch regieren?
Ja, das tut er - irgendwer.
Der bleibt hinter der Tür, doch dafür dürfen wir
Ganz allein patriotisch sein.

Und wer immer was andres will als die Sippe,
Den behandeln wir erst einmal wie die Grippe.
Und dann wird er segiert, bis auch er akzeptiert,
Was der Staat zirkuliert und uns allen billig offeriert.

Nimm zum Beispiel das Sexuelle.
Ja, gewiss, das nehm ich gern.
Bis zur letzten Bagatelle
Sind die Fraun hier hochmodern.

Die Busen sind die Größten, die Beine die Längsten,
So gleichen unsere Frauen arabischen Hengsten.
Die zartesten Hände, die winzigsten Näschen,
Die trinkfestesten Nierchen, die sanftesten Ekstäschen.

Die Hirne der Spatzen, die Leiber der Schlangen,
Die Stimmen in ewiger Moll,
Und liegt erst ein Mann in den Klauen, den langen,
Vergisst er genau, was er soll.
Ja, unsre Fraun sind ansschmiegsam, elastisch und bequem,
Daher ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System.

Und nimm mal unsere Kühlschränke!
Ich war noch bei den Fraun.
Ja, wenn ich an die Kühlschränke denke,
Oh, wie ich dann staun.

Die schnellsten Defroster, das kühlste Gefrierfach,
Die leisesten Motoren, das riesigste Bierfach,
Die eckigsten Würfel, die niedrigsten Raten,
Die nacktesten Mädchen auf allen Plakaten.

Die buntesten Knöpfe und alle zum Drücken,
Er schaltet sich selbst ein und aus,
Dabei spielt er 'Fair Lady' und tötet die Mücken
Und weckt das ganze Haus´.
Er ist voll garantiert und geölt und geschmiert,
Und wenn nicht, ist es kein Problem,
Sondern nur ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System
Jawohl, ein Qualitätsbeweis, -litätsbeweis, -litätsbeweis für unser System.

Nun blick umher in diesem Land und sei einmal ein Mann!
Noch keiner hat ein Land genannt, das so viel bieten kann.
Die Luxusyacht im Garten, Chirurgen, die immer nur grinsen,
Die Autohupe in Quarten, Harmonspritzen mit Zinsen,
Das illustrierte Börsenblatt, die Sliwowitz-Diät,
Die Minimaxi-Antituti-Universität,
Maschinen, die im Jenseits auferstehn,
Und dabei sind sie noch die größten,
Chemiker, die im Swimmingpool zergehen,
Und wie sich der'n Witwen trösten,
Superbombe und Supermarkt,
Superfriedhof für den Superinfarkt,
Pissoirs mit Glockenspiel
Und Rosenkränze mit Sex-Appeal,
Blumen, die man überall verbieten kann,
Mut, den man stundenweise mieten kann,
Todeskämpfe mit Schlussexamen,
Weihnachtsfrauen und Hampeldamen -

Ja, ich will von jetzt ab demokratisch sein,
Egoistisch und dadurch sympathisch sein,
Hörst Du jetzt endlich auf mich? - Ja!
Willst Du das meiste für Dich? - Ja!
Läßt Du die andern für zwanzig Pfennig im Stich? - Ja, ja!

Ich will niemals mehr anders sein als die Leute.
Ich verlang jetzt den größten Teil von der Beute,
Dies mein eigenes Beet, das aus Kaviar besteht,
Leg mir Schmuck auf meinen Bauch,
Pelze willst Du auch? - Aber immer mehr, als ich brauch!

Wir woll'n leben, und leben heißt: Alles fressen.
Wir woll'n leben, und leben heißt: Nicht vergessen.
Bis ich alles besitz, aber mehr als Frau Schmitz,
Ich will Leben wie ein Protz, Leben wie ein Klotz,
Leben meinem Leben zum Trotz.

Aber irgendwann muss ich doch sterben
Nein, da gibt's doch Medizin,
Und wer unsere nimmt, den kuriert sie bestimmt,
Und wenn nein: Patriotisch sein!

Denn wir ha'm ja noch Fernsehn, Sex und Raketen,
Haben Yachten, Reklame und Krieg und Moneten,
Politik und Komfort, und ein Schloss vor'm Tresor,
Und die Negerkrawalle, ja und wolln schließlich alle.
Und wenn alle was wollen, warum soll ich schmollen?
Wem die Welt nicht gefällt, der gehört nicht auf die Welt!

Georg Kreisler
http://www.gkif.de/texte/liedtexte/006txt

Freitag, 13. November 2009

Bonmot

"Behutsam schließt man die Augen der Toten; ebenso behutsam muss man den Lebenden die Augen öffnen."
Jean Cocteau

Dienstag, 10. November 2009

Wie es weiterging

von Bruno Streibel und Heinz Körner
(aus: Die Farben der Wirklichkeit - Ein Märchenbuch - lucy körner verlag, 7012 Fellbach 1983)

In dieser Nacht war das kleine Mädchen sehr unruhig. Immer wieder dachte es an den traurigen Baum und schlief schließlich erst ein, als bereits der Morgen zu dämmern begann.
Natürlich verschlief das Mädchen an diesem Morgen. Als es endlich aufgestanden war, wirkte sein Gesicht blass und stumpf.
"Hast du etwas Schlimmes geträumt?", fragte der Vater.
Das Mädchen schwieg, schüttelte dann den Kopf.
Auch die Mutter war besorgt: "Was ist mit dir?"
Und da brach schließlich doch all der Kummer aus dem Mädchen. Von Tränen überströmt stammelte es: "Der Baum! Er ist so schrecklich traurig. Darüber bin ich so traurig. Ich kann das einfach nicht verstehen."
Der Vater nahm die Kleine behutsam in seine Arme, ließ sie in Ruhe ausweinen und streichelte sie nur liebevoll. Dabei wurde ihr Schluchzen nach und nach leiser und die Traurigkeit verlor sich allmählich. Plötzlich leuchteten die Augen des Mädchens auf, und ohne dass die Eltern etwas begriffen, war es aus dem Haus gerannt.
Wenn ich traurig bin und es vergeht, sobald mich jemand streichelt und in die Arme nimmt, geht es dem Baum vielleicht ähnlich - so dachte das Mädchen. Und als es ein wenig atemlos vor dem Baum stand, wusste es auf einmal, was zu tun war. Scheu blickte die Kleine um sich. Als sie niemanden in der Nähe entdeckte, strich sie zärtlich mit den Händen über die Rinde des Baumes. Leise flüsterte sie dabei: "Ich mag dich, Baum. Ich halte zu dir. Gib nicht auf, mein Baum!"
Nach einer Weile rannte sie wieder los, weil sie ja zur Schule musste. Es machte ihr nichts aus, dass sie zu spät kam, denn sie hatte ein Geheimnis und eine Hoffnung.
Der Baum hatte zuerst gar nicht bemerkt, dass ihn jemand berührte. Er konnte nicht glauben, dass das Streicheln und die Worte ihm galten - und auf einmal war er ganz verblüfft und es wurde sehr still in ihm.
Als das Mädchen wieder fort war, wusste er zuerst nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Dann schüttelte er seine Krone leicht im Wind, vielleicht etwas zu heftig, und sagte zu sich, dass er wohl geträumt haben müsse. Oder vielleicht doch nicht? In einem kleinen Winkel seines Baumherzens hoffte er, dass es kein Traum gewesen war.
Auf dem Heimweg von der Schule war das Mädchen nicht allein. Trotzdem ging es dicht an dem Baum vorbei, streichelte ihn im Vorübergehen und sagte leise: "Ich mag dich und ich komm bald wieder." Da begann der Baum zu glauben, dass er nicht träumte, und ein ganz neues, etwas seltsames Gefühl regte sich in einem kleinen Ast.
Die Mutter wunderte sich, dass ihre Tochter auf einmal so gerne einkaufen ging. Auf alle Fragen der Eltern lächelte die Kleine nur und behielt ihr Geheimnis für sich. Immer wieder sprach das Mädchen nun mit dem Baum, umarmte ihn machmal, streichelte ihn oft. Er verhielt sich still, rührte sich nicht. Aber in seinem Innern begann sich etwas immer stärker zu regen. Wer ihn genau beobachtete, konnte sehen, dass seine Rinde ganz langsam eine freundlichere Farbe bekam. Das Mädchen jedenfalls bemerkte es und freute sich sehr.
Der Gärtner und seine Frau, die den Baum ja vor vielen Jahren gepflanzt hatten, lebten regelmäßig und ordentlich, aber auch freudlos und stumpf vor sich hin. Sie wurden älter, zogen sich zurück und waren oft einsam. Den Baum hatten sie so nach und nach vergessen, ebenso wie sie vergessen hatten, was Lachen und Freude ist - und Leben.
Eines Tages bemerkten sie, dass manchmal ein kleines Mädchen mit dem Baum zu reden schien. Zuerst hielten sie es einfach für eine Kinderei, aber mit der Zeit wurden sie doch etwas neugierig. Schließlich nahmen sie sich vor, bei Gelegenheit einfach zu fragen, was das denn soll. Und so geschah es dann auch.
Das Mädchen erschrak, wusste nicht so recht, wie es sich verhalten sollte. Einfach davonlaufen wollte es nicht, aber erzählen, was wirklich war - das traute es sich nicht.
Endlich gab die Kleine sich einen Ruck, dachte: "Warum eigentlich nicht?" und erzählte die Wahrheit. Der Gärtner und seine Frau mussten ein wenig lachen, waren aber auf eine seltsame Weise unsicher, ohne zu wissen, warum. Ganz schnell gingen sie wieder ins Haus und versicherten sich gegenseitig, dass das kleine Mädchen wohl ein wenig verrückt sein müsse.
Aber die Geschichte ließ sie nicht mehr los. Ein paar Tage später waren sie wie zufällig in der Nähe des Baumes, als das Mädchen wiederkam. Dieses Mal fragte es die Gärtnersleute, warum sie denn den Baum so zurechtgestutzt haben. Zuerst waren sie empört, konnten aber nicht leugnen, dass der Baum in den letzten Wochen ein freundlicheres Aussehen bekommen hatte. Sie wurden sehr nachdenklich.
Die Frau des Gärtners fragte schließlich: "Meinst du, dass es falsch war, was wir getan haben?"
"Ich weiß nur", antwortete das Mädchen, "dass der Baum traurig ist. Und ich finde, dass das nicht sein muss. Oder wollt ihr einen traurigen Baum?"
"Nein!" rief der Gärtner. "Natürlich nicht. Doch was bisher gut und recht war, ist ja wohl auch heute noch richtig, auch für diesen Baum." Und die Gärtnersfrau fügte hinzu: "Wir haben es doch nur gut gemeint."
"Ja, das glaube ich", sagte das Mädchen, "ihr habt es sicher gut gemeint und dabei den Baum sehr traurig gemacht. Schaut ihn doch einmal genau an!" Und dann ließ sie die beiden alten Leute allein und ging ruhig davon mit dem sicheren Gefühl, dass nicht nur der Baum Liebe brauchen würde.
Der Gärtner und seine Frau dachten noch sehr lange über dieses seltsame Mädchen und das Gespräch nach. Immer wieder blickten sie verstohlen zu dem Baum, standen oft vor ihm, um ihn genau zu betrachten. Und eines Tages sahen auch sie, dass der Baum zu oft beschnitten worden war. Sie hatten zwar nicht den Mut, ihn auch zu streicheln und mit ihm zu reden. Aber sie beschlossen, ihn wachsen zu lassen, wie er es wollte.
Das Mädchen und die beiden alten Leute sprachen oft miteinander - über dies oder das und manchmal über den Baum. Gemeinsam erlebten sie, wie er ganz behutsam, zuerst ängstlich und zaghaft, dann ein wenig übermütig und schließlich kraftvoll zu wachsen begann. Voller Lebensfreude wuchs er schief nach unten, als wolle er zu erst einmal sein Glieder räkeln und strecken. Dann wuchs er in die Breite, als wolle er die ganze Welt in seine Arme schließen, und in die Höhe, um allen zu zeigen, wie glücklich er sich fühlt. Auch wenn der Gärtner und seine Frau es sich selbst nicht trauten, so sahen sie doch mit stiller Freude, dass das Mädchen den Baum für alles lobte, was sich an ihm entfalten und wachsen wollte.
Voll Freude beobachtete das Mädchen, dass es dem Gärtner und seiner Frau beinahe so ähnlich erging wie dem Baum. Sie wirkten lebendiger und jünger, fanden das Lachen und die Freude wieder und stellten eines Tages fest, dass sie wohl manches im Leben falsch gemacht hatten. Auch wenn das jetzt nicht mehr zu ändern wäre, so wollten sie wenigstens den Rest ihres Lebens anders gestalten. Sie sagten auch, dass sie Gott wohl ein wenig falsch verstanden hätten, denn Gott sei schließlich Leben, Liebe und Freude und kein Gefängnis. So blühten gemeinsam mit dem Baum zwei alte Menschen zu neuem Leben auf.
Es gab keinen Garten weit und breit, in welchem ein solch schief und wild und fröhlich gewachsener Baum stand. Oft wurde er jetzt von Vorübergehenden bewundert, was der Gärtner, seine Frau und das Mädchen mit stillem, vergnügtem Lächeln beobachteten. Am meisten freute sie, dass der Baum all denen Mut zum Leben machte, die ihn wahrnahmen und bewunderten.
Diesen Menschen blickte der Baum noch lange nach - oft bis er sie gar nicht mehr sehen konnte. Und manmal begann er dann, so dass es sogar einige Menschen spüren konnten, tief in seinem Herzen glücklich zu lachen.

(Bruno Streibel, Gemeindepfarrer im Stuttgarter Westen, geboren 1942: "Die Zeit, in der ich gelebt wurde, endete vor acht Jahren, als ich zum ersten Mal bewusst ICH sagte. Alles, was dann kam, war Entfaltung und Leben und Lieben und Glauben lernen. Bei diesem Unterwegssein habe ich außer ein paar Menschen vor allem Träume und Märchen als Gefährten und Wegweiser schätzen gelernt. Und als ich Heinz Körners 'Ein Märchen' las, schrieb ich spontan eine Fortsetzung. Indessen sind noch andere Märchen in mir gewachsen. Märchen wollen weitergegeben und gelebt werden, damit wir uns nicht selbst verfehlen, damit das Unerwartete nicht ausgeschlossen wird und in uns die Melodie von Hoffnung und Freude nicht verstummt.")


Dem letzten Satz von Bruno Streibel stimme ich aus eigener Erfahrung uneingeschränkt zu.

Montag, 9. November 2009

Ein Märchen

von Heinz Körner
(aus: Heinz Körner, Die Farben der Wirklichkeit - Ein Märchenbuch -. lucy körner verlag, 7012 Fellbach 1983)


Es war einmal ein Gärtner. Eines Tages nahm er seine Frau bei der Hand und sagte: "Komm, Frau, wir wollen einen Baum pflanzen." Die Frau antwortete: "Wenn du meinst, mein lieber Mann, dann wollen wir einen Baum pflanzen." Sie gingen in den Garten und pflanzten einen Baum.
Es dauerte nicht lange, da konnte man das erste Grün zart aus der Erde sprießen sehen. Der Baum, der eigentlich noch kein richtiger Baum war, erblickte zum ersten Mal die Sonne. Er fühlte die Wärme ihrer Strahlen auf seinen Blättchen und streckte sich ihnen hoch entgegen. Er begrüßte sie auf seine Weise, ließ sich glücklich bescheinen und fand es wunderschön, auf der Welt zu sein und zu wachsen.
"Schau", sagte der Gärtner zu seiner Frau, "ist er nicht niedlich, unser Baum?" Und seine Frau antwortete: "Ja, lieber Mann, wie du schon sagtest: Ein schöner Baum!"
Der Baum begann größer und höher zu wachsen und reckte sich immer weiter der Sonne entgegen. Er fühlte den Wind und spürte den Regen, genoss die warme feste Erde um seine Wurzeln und war glücklich. Und jedes Mal, wenn der Gärtner und seine Frau nach ihm sahen, ihn mit Wasser tränkten und ihn einen schönen Baum nannten, fühlte er sich wohl. Denn da war jemand, der ihn mochte, ihn hegte, pflegte und beschützte. Er wurde lieb gehabt und war nicht allein auf der Welt. So wuchs er zufrieden vor sich hin und wollte nichts weiter als leben und wachsen, Wind und Regen spüren, Erde und Sonne fühlen, lieb gehabt werden und andere liebhaben.
Eines Tages merkte der Baum, dass es besonders schön war, ein wenig nach links zu wachsen, denn von dort schien die Sonne mehr auf seine Blätter. Also wuchs er jetzt ein wenig nach links.
"Schau", sagte der Gärtner zu seiner Frau, "unser Baum wächst schief. Seit wann dürfen Bäume denn schief wachsen, und dazu noch in unserem Garten? Ausgerechnet unser Baum! Gott hat die Bäume nicht erschaffen, damit sie schief wachsen, nicht wahr, Frau?" Seine Frau gab ihm natürlich recht. "Du bist eine kluge und gottesfürchtige Frau", meinte daraufhin der Gärtner. "Hol also unser Schere, denn wir wollen unseren Baum gerade schneiden."
Der Baum weinte. Die Menschen, die ihn bisher so lieb gepflegt hatten, denen er vertraute, schnitten ihm die Äste ab, die der Sonne am nächsten waren. Er konnte nicht sprechen und deshalb nicht fragen. Er konnte nicht begreifen. Aber sie sagten ja, dass sie ihn lieb hätten und es gut mit ihm meinten. Und sie sagten, dass ein richtiger Baum gerade wachsen müsse. Und Gott es nicht gerne sähe, wenn er schief wachse. Also musste es wohl stimmen. Er wuchs nicht mehr der Sonne entgegen.
"Ist er nicht brav, unser Baum?", fragte der Gärtner seine Frau. "Sicher, lieber Mann, antwortete sie, "du hast wie immer recht. Unser Baum ist ein braver Baum."
Der Baum begann zu verstehen. Wenn er machte, was ihm Spaß und Freude bereitete, dann war er anscheinend ein böser Baum. Er war nur lieb und brav, wenn er tat, was der Gärtner und seine Frau von ihm erwarteten. Also wuchs er jetzt strebsam in die Höhe und gab darauf acht, nicht mehr schief zu wachsen.
"Sieh dir das an", sagte der Gärtner eines Tages zu seiner Frau, "unser Baum wächst unverschämt schnell in die Höhe. Gehört sich das für einen rechten Baum?" Seine Frau antwortete: "Aber nein, lieber Mann, das gehört sich natürlich nicht. Gott will, dass Bäume langsam und in Ruhe wachsen. Und auch unser Nachbar meint, dass Bäume bescheiden sein müssten, ihre wachsen auch schön langsam." Der Gärtner lobte seine Frau und sagte, dass sie etwas von Bäumen verstehe. Und dann schickte er sie die Schere holen, um dem Baum die Äste zu stutzen.
Sehr lange weinte der Baum in dieser Nacht. Warum schnitt man ihm einfach die Äste ab, die dem Gärtner und seiner Frau nicht gefielen? Und wer war dieser Gott, der angeblich gegen alles war, was Spaß machte?
"Schau her, Frau", sagte der Gärtner, "wir können stolz sein auf unseren Baum". Und seine Frau gab ihm wie immer recht.
Der Baum wurde trotzig. Nun gut, wenn nicht in die Höhe, dann eben in die Breite. Sie würden ja schon sehen, wohin sie damit kommen. Schließlich wollte er nur wachsen, Sonne, Wind und Erde fühlen, Freude haben und Freude bereiten. In seinem Innern spürte er ganz genau, dass es richtig war, zu wachsen. Also wuchs er jetzt in die Breite.
"Das ist doch nicht zu fassen". Der Gärtner holte empört die Schere und sagte zu seiner Frau: "Stell dir vor, unser Baum wächst einfach in die Breite. Das könnte ihm so passen. Das scheint ihm ja geradezu Spaß zu machen. So etwas können wir auf keinen Fall dulden!" Und seine Frau pflichtete ihm bei: "Das können wir nicht zulassen. Dann müssen wir ihn eben wieder zurecht stutzen."
Der Baum konnte nicht mehr weinen, er hatte keine Tränen mehr. Er hörte auf zu wachsen. Ihm machte das Leben keine rechte Freude mehr. Immerhin, er schien nun dem Gärtner und seiner Frau zu gefallen. Wenn auch alles keine rechte Freude mehr bereitete, so wurde er wenigstens lieb gehabt. So dachte der Baum.
Viele Jahre später kam ein kleines Mädchen mit seinem Vater am Baum vorbei. Er war inzwischen erwachsen geworden, der Gärtner und seine Frau waren stolz auf ihn. Er war ein rechter und anständiger Baum geworden.
Das kleine Mädchen blieb vor ihm stehen. "Papa findest du nicht auch, dass der Baum hier ein bisschen traurig aussieht?" fragte es.
"Ich weiß nicht", sagte der Vater. "Als ich so klein war wie du, konnte ich auch sehen, ob ein Baum fröhlich oder traurig ist. Aber heute sehe ich das nicht mehr."
"Der Baum sieht wirklich ganz traurig aus." Das kleine Mädchen sah den Baum mitfühlend an. "Den hat bestimmt niemand richtig lieb. Schau mal, wie ordentlich der gewachsen ist. Ich glaube, der wollte mal ganz anders wachsen, durfte aber nicht. Und deshalb ist er jetzt traurig."
"Vielleicht", antwortete der Vater versonnen. "Aber wer kann schon wachsen wie er will?"
"Warum denn nicht?", fragte das Mädchen. "Wenn jemand den Baum wirklich lieb hat, kann er ihn auch wachsen lassen, wie er selber will. Oder nicht? Er tut doch niemandem etwas zuleide."
Erstaunt und schließlich erschrocken blickte der Vater sein Kind an. Dann sagte er: "Weißt du, keiner darf so wachsen wie er will, weil sonst die anderen merken würden, dass auch sie nicht so gewachsen sind, wie sie eigentlich mal wollten."
"Das verstehe ich nicht, Papa!"
"Sicher, Kind, das kannst du noch nicht verstehen. Auch du bist vielleicht nicht immer so gewachsen, wie du gerne wolltest. Auch du durftest nicht."
"Aber warum denn nicht, Papa? Du hast mich doch lieb und Mama hat mich auch lieb, nicht wahr?"
Der Vater sah sie eine Weile nachdenklich an. "Ja", sagte er dann, "sicher haben wir dich lieb."
Sie gingen langsam weiter und das kleine Mädchen dachte noch lange über dieses Gespräch und den traurigen Baum nach. Der Baum hatte den beiden aufmerksam zugehört, und auch er dachte lang nach. Er blickte ihnen noch hinterher, als er sie eigentlich schon lange nicht mehr sehen konnte. Dann begriff der Baum. Und er begann hemmungslos zu weinen.


Dieses Märchen liebe ich ganz besonders. Es ist für mich wie ein Haus mit unzähligen Räumen. Oft, wenn mir etwas unklar ist oder ich mal wieder was nicht so richtig verstehen und einordnen kann, fällt mir diese Geschichte ein. Dann lese ich sie - als hätte ich sie noch nie gelesen - und es öffnet sich meist eine neue Tür, durch die ich dann gehe und neu begreifen lerne.....

Samstag, 7. November 2009

Und nochmal die Reimbibel

Gott erschafft und bedroht Adam und Eva
(1. Buch Mose, Kap. 1 und 2)

Aus einem feuchten Erdenkloß
entstand einst Adam, nackt und bloß,
Die Mutter unsrer Menschensippe
schuf Jahwe dann aus Adams Rippe.
Zum Bilde Gottes schuf er sie,
der Herr ist wirklich ein Genie.

Der Mensch führt Böses oft im Schild,
insofern ist er Ebenbild.
Doch kann er keine Welt erschaffen,
er ähnelt mehr den Menschenaffen.

Im Paradies gab's eine Frucht,
bewacht von Gott mit Eifersucht:
"Wer davon isst, der ist nicht brav,
was ich dann mit dem Tode straf."

Er ruhte aus am siebten Tage,
so steht es in der Schöpfungssage.
Und wer die Weltgeschicht studiert,
merkt schnell, dass Gott sehr gern pausiert.

Viel Elend lässt der Herr geschehen,
das können wir ja täglich sehen.
Doch soll man ihn nicht dafür schelten,
vielleicht baut ER grad neue Welten.

Aus der Reimbibel von W. Klosterhalfen, http://www.reimbibel.de/

Nach dem 1. Buch Mose erschuf Gott den Menschen erst nachdem er Pflanzen und Tiere erschaffen hatte. Nach dem 2. Buch Mose erschuf Gott zuerst den Menschen, dann den Garten Eden.
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Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Reimbibel von einem tiefgläubigen Menschen geschrieben wurde, der lange über die Ungereimtheiten der "Heiligen Schrift" nachdachte und einen Weg gefunden hat, das Ergebnis seiner Gedanken anderen Menschen mitzuteilen. Vieles von meinen Gedanken finde ich in seiner humorvollen Darstellung wieder. Es tut gut zu wissen, dass ich mit meinem Zweifel nicht alleine bin.

Vielleicht kann dieses Buch auch anderen Zweiflern dabei helfen, die Bibel neu zu entdecken.

Donnerstag, 5. November 2009

Die Bibel neu erklärt

Schon seit langem hadere ich mit der Gestalt Gottes, wie sie mir die Kirche durch die Bibel vermittelt.
Vor einigen Wochen stolperte ich im Internet über die "Reimbibel", die ein anderes Bild von Gott zeichnet.
Hier ein Auszug:

Gott erschafft den Himmel und die Erde
(1. Buch Mose, Kap. I)

Am Anfang war Gott ganz allein
und sah wohl nicht viel Sinn im Sein.
Ganz langsam nur verging die Zeit
von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ganz plötzlich kam ihm die Idee
(soweit ich das als Mensch versteh):
"Ich mache mir jetzt eine Welt,
die mir als Schöpfer gut gefällt."

Wie Gott das machte, weiß man nicht,
wenn man von seiner Schöpfung spricht.
Für Christen ist jedoch ganz klar:
der Herr ist groß und wunderbar.

Gott schuf den Himmel, dann die Erde,
dass sie des Herren Bühne werde.
Es scheint, er schuf sie sehr in Eile.
zu enden seine Langeweile.

Die Erde war erst wüst und leer
und ganz bedeckt vom großen Meer.
Der Herr beliebte, dort zu schweben,
ansonsten regte sich kein Leben.

Da sprach der Herr: "Es werde Licht!",
doch Sonne gab's noch lange nicht.
Die Wolken trennte er vom Wasser,
erschuf dann Land und Meer, so dass er

als nächstes Pflanzen pflanzen konnte,
die dann das "Licht" zunächst besonnte.
Viel Grünes, Bäume, Früchte, Samen
danach dann an die Reihe kamen.

Er setzte Sonne, Mond und Sterne
ans Himmelszelt in weiter Ferne.
Jetzt gab es wirklich Nacht und Tag
und Erde, die am Wasser lag.

Der Herr war sehr erfinderisch,
schuf Würmer, Vögel, Vieh und Fisch,
Die waren alle sehr verschieden,
und Gott der Herr war sehr zufrieden.

Besonders gut dem Herrn gerieten:
Bakterien, Viren, Parasiten.
Auch hat er damals nicht vergessen:
die Starken, die die Schwachen fressen.

Im Unterschied zu den Giraffen
hat niemand jemals Gott erschaffen.
Doch hört man machmal diesen Spott:

Der Mensch erschuf sich seinen Gott,
und wenn die Menschen Pferde wären,
dann würden sie ein Pferd verehren.

Aus der Reinbibel von W. Klosterhalfen, http://www.reimbibel.de/

Da in der Bibel Gott ständig menschliche Motive unterstellt werden (Anthropomorphisierung), habe ich mir die Freiheit genommen zu vermuten, dass Gott vor der Erschaffung der Welt unter ewiger Langeweile litt.

Nicht nur zur Schöpfung existieren in der Bibel widersprüchliche Berichte. Dafür dürften unterschiedliche Auffassungen und Machtinteressen ihrer zumeist unbekannten Autoren verantwortlich gewesen sein. www.bibelzitate.de/wsidb.html

Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche erkennen heute an, dass sich das vielfältige Leben auf der Erde durch Evolution entwickelt hat. Von Kreationisten wird dies bestritten. Ende 2008 waren 55 Prozent der US-Bürger davon überzeugt, dass die gesamte Bibel auf Tatsachen beruht und ihre Lehre aus diesem Grund wörtlich genommen werden muss. Auch der "Heilige Geist" hatte sich anscheinend noch nicht mit Evolutionsbiologie beschäftigt.

Dass es mindestens 100 Milliarden von Galaxien gibt, scheint der "Heilige Geist" den Verfassern der beiden Schöpfungsberichte nicht verraten zu haben. Allein die Galaxie "Milchstraße" besteht aus über 300 Milliarden Sternen; sie ist ca. 100.000 Lichtjahre "breit", http://de.wikipedia.org/wiki/Galaxie

Nur noch 39% der 16-29jährigen Katholiken glauben daran, dass Gott die Welt erschaffen hat. Allensbach-Umfrage 7032 (2002)

Dienstag, 3. November 2009

Erkenntnis?

Ganz egal, wie umsichtig Mensch sein Denken und die dahinterstehenden Absichten zu vermitteln versucht, immer liefert er sich auf Gedeih und Verderb dem Denken und der dahinterstehenden Absichten des Urteilenden aus.

Sonntag, 1. November 2009

Poemchen

Zweifel

Ein Mensch ist fest dazu entschlossen:
Das gute Kräutchen wird begossen,
Das schlechte Unkraut ausgerottet. -
Doch ach, des Lebens Wachstum spottet,
Und oft fällts schwer, sich zu entschließen:
Soll man nun rotten oder gießen?
Eugen Roth